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10 Tage in der Wildnis von Lappland (Teil 3)

Voller Entsetzten stellte ich beim Anziehen fest, dass die Sohle begann, sich von meinen Wanderschuhen abzulösen. Sollte sie sich noch völlig lösen, hätte ich natürlich ein Problem. In „Crocks“ ist das Wandern in diesem Gelände natürlich nicht möglich. Um mich etwas zu beruhigen, gab es erst mal eine Kanne Tee und ein warmes Frühstück.

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Morgendliches Frühstück

Mit einer Reppschnur versuchte ich die Sohle am Schuh wieder zu befestigen. Allerdings nur mit mäßigen Erfolg. Nach kurzer Zeit begann sich der Knoten wieder zu lösen.

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Provisorische Fixierung der Schuhsohle

Das Bild der Landschaft änderte sich nun von dichtem Gestrüpp hin zu einer Landschaft aus weichen Flechten und Moosen. Insgesamt wurde es deutlich einfacher zu wandern. Es gab immer wieder Trampelpfade, denen ich folgen konnte.  Auch die Last auf dem Rücken wurde von Tag zu Tag angenehmer zu tragen. Am erfreulichsten war allerdings das Verschwinden der Mücken.

In der Ferne erkannte ich ein rotes Zelt. Voller Freude, endlich wieder Menschen zu treffen, beschleunigte ich meinen Schritt. Ich traf auf ein Paar aus England. Ihre geplante Strecke führte ins Rapatal. Sofort erzählte ich ihnen von meiner eindrucksvollen Begegnung mit einem Elch. Nach einer kurzen Gesprächspause mit etwas Studentenfutter trennten sich unsere Wege wieder. Für meinen Schuh bekam ich noch ein weiteres Stück Reepschnur mit auf den Weg. Nach der langen Zeit ohne einen Gesprächspartner tat es richtig gut, wieder mal mit jemanden reden zu können.

Im weiteren Verlauf erreichte ich dann auch endlich eine Stelle am Fluss, die man überqueren konnte. Der Fluss war hier sehr breit, dafür aber nicht mehr so tief und die Strömung war nicht annähernd so stark wie unten im Tal. Auf der anderen Seite angekommen, gab es dann als erstes einen warmen Erbseneintopf zum Aufwärmen und zur Stärkung.

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Blick in das Tal Algavare

In dem Tal Algavarre traf ich auf zahlreiche Rentierhorden, die allerdings schnell die Flucht antraten, wenn ich ihnen zu nahe kam.

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Rentier im Tal Algavare

Der Himmel zog sich nach und nach zu. Schließlich kam ein starker kühler Wind auf und dieser brachte dann auch Regen mit sich. Immer wieder pausierte ich, um die Schnur an meinem Schuh wieder nachzuziehen. Meine eingeschlagene Route wurde erneut durch einen Fluss mit starker Strömung durchkreuzt. An mehreren Stellen versuchte ich zu queren, aber bei der starken Strömung war das Risiko einfach zu hoch. Nach etlichen Versuchen schien mir eine Stelle einigermaßen passabel zu sein und ich setzte den Rucksack auf. Langsam ging es Schritt für Schritt durch das eiskalte Wasser. Der Fluss stand mir beinahe bis zur Hüfte. Erleichtert erreichte ich ausgekühlt die andere Seite, an der ich auch mein Zelt aufstellte.

Von Rentierhorden umringt, schaute ich am nächsten Morgen verdutzt aus meinem Zelt. Die geplante Strecke führte mich heute hinauf über ein Hochtal. Der Anstieg war sehr anstrengend, weil der Pfad über lockeres steiles Geröll führte. Dieser Anstieg hatte mehr was mit Klettern als mit Wandern zu tun. Zwischendurch erreichte ich immer wieder Schneefelder, die mir das Vorwärtskommen erleichterten. Auf dem höchsten Punkt angelangt, blickte ich hinab in das nun vor mir vorliegende Tal. Dichte Wolken hingen zwischen den Gipfeln, aus denen sanfter Nieselregen herunter kam. Das Gelände war durch den zunehmenden Nebel nicht wirklich zu erkennen. Mein Standpunkt ließ sich anhand der Karte nur grob bestimmen. Ich entschied mich, dem Tal in gerader Linie abwärts zu folgen. Mit jedem Abstiegsmeter verzogen sich die Wolken, bis sich die wärmende Sonne immer stärker durchsetzte. Das Gestrüpp nahm nun wieder zu, bis ich schließlich von bis zu zwei Meter hohen Sträuchern umgeben war. Das Gelände war dazu noch steil und Felsspalten oft nicht zu erkennen. Der Boden bestand teilweise aus sumpfigem Untergrund, der mein Vorwärtskommen erschwerte. Einige Kilometer setzte sich dieses Gelände so weiter fort. In diesem schwierigen Gelände war ein Vorwärtskommen von mehr als 1 km/h nicht möglich.

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Dichte Vegetation im Sarvesvage

Das Wandern durch dieses Gelände nahm sehr viel Zeit in Anspruch und so erreichte ich erst nach mehreren Stunden das Ende der urwaldartigen Vegetation. Ich war erleichtert, mich bei freier Sicht endlich wieder orientieren zu können. Im weiteren Verlauf fand ich dann auch einen wunderschönen Platz für die Nacht.

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Schlafplatz am Bach

Am nächsten Morgen weckte mich das angenehme Plätschern des in der Nähe fließenden Baches. Mit aller Ruhe begann ich zu frühstücken und die angenehm warme Sonne zu genießen. Neben meinem Lagerplatz entdeckte ich einige Beeren, die wie größere rote Brombeeren aussahen. Es sind Moltebeeren, die mit auch als Wahrzeichen Lapplands gelten. Auf den Verzehr verzichtete ich allerdings, da sie der Farbe nach noch nicht richtig reif waren.

Nachdem meine Ausrüstung wieder trocken war, machte ich mich auf den weiteren Weg. Gemütlich startete ich durch lichten Birkenwald bergaufwärts in das Tal Gaskavage.

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Anstieg zum Gaskavage

Oberhalb der Baumgrenze wandelte sich schlagartig die Landschaft. Die Vegetation wurde immer spärlicher. Die Landschaft glich einer Wüste aus endlosen Geröllfeldern. Nach mühsamem Anstieg über das Blockgelände erreichte ich die Passebene. Zu meinem Erstaunen wandelte sich das Landschaftsbild später in saftige Weidelandschaften, auf denen friedlich Rentiere grasten.

Nach einem bequemen Abstieg erreichte ich einen nicht überwindbaren Fluss. Hier sollte eigentlich eine der wenigen Brücken im Sarek sein. Aber vor mir lag keine Brücke. Diese Brücke ist nicht einfach zu finden, weil kein Pfad oder Weg dorthin führt. Eine Brücke mitten im nichts. Nach einigem Suchen entdeckte ich endlich die Hängebrücke aus Stahlseilen und konnte trockenen Fußes den Fluss überqueren.

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Eine von den wenigen Brücken im Sarek

Ich wanderte noch eine Zeit lang bis auf eine Anhöhe hinauf. Der Anstieg kostete mich nochmals Kraft und meine letzten Nüsse und Schokoriegel.

An einem Aussichtspunkt begann ich mein Zelt aufzubauen. Die Sonne war schon lange hinterm Horizont verschwunden. Die Wolken schimmerten orange- bis rosafarben. Es lag eine magische Stille in der Luft. Nirgendwo fühlte ich mich jemals so frei und der Natur so verbunden wie hier im Sarek. Einige Minuten sitze ich einfach nur da und schaue ehrfurchtsvoll dem Farben- und Wolkenspielen zu, bevor ich mich dann in meinen warmen Schlafsack zurückziehe.

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Aussicht vom Zeltplatz auf die Parek-Ebene

Meine Schuhe wurden im Laufe der letzten Tage doch ziemlich stark in Mitleidenschaft gezogen. Aber die Reppschnur konnte zum Glück das vollständige ablösen der Sohle verhindern.

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Wanderstiefel gegen Ende der Wanderung

Nach einem beherzten Sprung in den kalten Fluss ging es am nächsten Morgen weiter. Meine Strecke führte hinunter auf die Parek-Ebene. Schnell erreichte ich die ersten kleinen Fjällbirken und dichtes Weidegestrüpp. Vorbei ging es an glasklaren Seen und muffligen Mooren. Allmählich kam ich auch wieder vermehrt an größeren Tannen vorbei, was mich an den Beginn meiner Wanderung erinnerte. Ich erreichte einen schönen Trampelpfad, dem ich bis zu einem glasklaren blauen See folgte. In der Mittagshitze entschloss ich mich ein wenig abzukühlen. Ein riesiger See mitten in der Wildnis für mich alleine, ohne eine weitere Menschenseele.

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Einsamer See im Sarek

Nach der kurzen Erfrischung baute ich mein Lager auf und verbrachte die Nacht hier an diesem wunderschönen Ort. Trotz meiner von Mücken zerstochenen Beine, trotz den Blasen an den Füßen und trotz schmerzenden Knien spürte ich eine tiefe Zufriedenheit in mir; Zufriedenheit, weil das Ende meiner Durchquerung sich ankündigte; Zufriedenheit natürlich auch, weil ich es auch geschafft hatte. Aber Zufriedenheit auch, weil ich eine einmalig schöne Naturlandschaft erfahren konnte. Der Platz gefiel mir so gut, dass ich dort meinen letzten Tag nutzte, um mich auszuruhen.

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Einsamer See im Sarek

Gegen Spätnachmittag packte ich schließlich meine Ausrüstung zusammen und setzte meinen Weg fort. Der Trampelpfad führte nach kurzer Zeit auf den Kungsleden, auf dem ich meine Wanderung vor 10 Tagen begann. Dort traf ich bald auch wieder auf die ersten Wanderer. In den Abendstunden erreichte ich voller Glück und Zufriedenheit das Dorf Kvikkjok, in dem mein Streifzug durch die Wildnis Nordschwedens endete.

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Dorfkirche in Kvikkjok

 

 

 

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Über Pepe

Pepe
Pepe besucht ein Gymnasium und ist Mitglied der IB-Deutschland.

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