Review Overview
Mittelmäßig
Gesamteindruck
Summary : Ein atmosphärisch und emotional recht gelungener Film, allerdings ein zu großes Muss an einseitiger Interpretation. Bitte weniger Ideologie!
Nach wochenlanger Vorbereitung ist es nun soweit. Der rote Teppich ist ausgerollt, die Fotoapparate laufen auf Hochtouren, der Champagner ist gekühlt und jeder ist bereit ordentlich abzusahnen. Die Show kann beginnen.
„Filmstars“ der ganzen Welt sind bei der diesjährigen 86. Oskar-Verleihung wieder mit dabei, genauso wie etliche Teenager vor der Glotze, die nichts Besseres zu tun haben, als sich hierfür die Nacht um die Ohren zu schlagen. Grund genug also für die „Stars“, die äußere Fassade durch extravagante Kleidung und gekünsteltem Lächeln einmalso richtig auf Vordermann zu bringen – Hauptsache Rampenlicht! Die Eröffnungsshow ist diesmal besonders witzig, sie wird von Ellen De Geneers gehalten. Und nein, lieber Leser, natürlich habe ich keinen blassen Schimmer, wer diese Dame ist; allerdings kann sich das 0815-Hollywood-Publikum vor Lachen kaum halten. Ich muss jedoch zugeben, dass mir der Spaß bei der Nachbetrachtung auf doch schlagartig verging, als ich folgenden Satz seitens der zierlichen blonden Dame hörte: „Es gibt zwei Möglichkeiten wie der Abend laufen kann. Möglichkeit Nummer eins: 12 Years A Slave wird Bester Film. Möglichkeit Nummer zwei: Ihr seid alle Rassisten.“ Unglaublich witzig, was?
Durchgeknallte Skalvenhändler
Szenenwechsel ins Jahr 1841. Der Protagonist Solomon Northup liegt gefesselt auf kaltem Betonboden in einem stockfinsteren Kellerzimmer. Er kann sich nicht erinnern wie er dort hingekommen ist oder was er überhaupt hier verloren hat. Solomon ist ein „freier Mann“ und hervorragender Violinist, hiermit sichert er sich und seiner Familie einen recht stattlichen Unterhalt und garantiert ihnen eine bürgerliche Existenz wie sie im Buche steht. Sie besitzen ein eigenes Haus, tragen teure Kleidung, gehen essen und verkehren in wohlhabenden Kreisen. Wie schnell hat sich die Situation jedoch geändert. Solomon wurde von zwei Weißen ausgetrickst und nach Süden in den Sklavenhandel verschleppt, hier nutzt ihm seine Herkunft nichts. Jedes Mal, wenn er versucht die Situation klarzustellen, wird sie nur noch schlimmer.
Solomon ist mittlerweile mit anderen Sklaven auf einer Holzfarm im Süden gelandet. Der Besitzer der Farm hegt noch ein wenig Sympathie für ihn, sodass er sich aufgrund seiner Intelligenz recht gut zurecht findet und sogar eine Geige als Geschenk bekommt. Doch auf dieser Farm gibt es für ihn keine Zukunft mehr. Nachdem Solomon einem Vorarbeiter ordentlich die Fresse poliert hat, hat dieser es nun auf ihn abgesehen. Doch jeder Zuschauer kann das Verhalten Solomons nachvollziehen: diese unfassbare Ungerechtigkeit, die herrscht, und dann auch noch dieser arrogante stumpfsinnige Penner. Er hatte es echt verdient! Noch schlimmer wird es für Solomon allerdings auf der nächsten Farm, hier muss er Baumwolle pflücken – und zwar nicht zu knapp. Der Besitzer dieser Farm scheint noch ein ganzes Stück durchgeknallter zu sein als die ganzen vorherigen Spinner. Man würde ihn vielleicht sogar als Psychopathen oder Sadisten bezeichnen (übrigens eine große schauspielerische Leistung!). Folterszenen, Ausbeutung und Unterdrückung durchziehen den Film wie ein roter Faden. Die Sklaverei scheint für keinen der Beteiligten ein befriedigendes Leben zu liefern. Selbst der durchgeknallte Farmbesitzer begehrt eigentlich eine schwarze Sklavin, kann sie aber aufgrund gesellschaftlicher Konventionen nicht zur Frau nehmen und foltert sie dafür im Gegenzug – auch er ist in seiner Rolle gefangen.
Bürgertum statt Slkaverei
Die Sklaverei ist ein menschliches Unrecht, das will uns der Film sagen und zwar mit voller Wucht und ganzer Brutalität. Übrigens verstärkt sich dieser Eindruck dadurch, dass das Drehbuch auf einer „wahren Begebenheit“ basiert – alles ist hier hautnah! In dieser Deutungsweise weiß der Film durchaus zu überzeugen, selbst ich kann mich trotz aller beobachtenden Distanz nicht gänzlich davon freisprechen, an einigen Stellen doch berührt worden zu sein. Die schauspielerischen Leistungen, die verschiedenen Szenen, die Bilder und die Dramatik packen den Zuschauer. Der Film saugt Einen in das Thema hinein und spielt mit den Emotionen, dazu kommt dann eine gehörige Portion Ideologie. Doch wieviel Wert ist dieser Film, wenn es doch im Umkehrschluss gar nicht darum geht, die historische Sklaverei zu verurteilen, sondern darum, mir mit jeglichen Mitteln zu sagen: Die Menschen müssen alle gleich sein. Die Rezension der FAZ ließ verlauten, der Film zeige uns, dass jeder Mensch die Möglichkeit zur „Kultiviertheit“ besäße, da Solomon durchaus in der Lage ist,zu lesen und zu musizieren, wie es die Weißen auch können. Doch leider verfällt die Autorin genau in jene alten koloniale Muster: Es gibt nur einen möglichen Weg der Zivilisation und das ist derjenige, den die Weißen leben. Zivilisation heißt hier das ganze bürgerliche Leben mit seinem Materialismus und seiner Oberflächlichkeit anzunehmen, fernab von Traditionen und Überlieferungen, da somit alle ethnischen Unterschiede durch neue Werte überwunden werden können. Eine schöne Weltzivilisation also.
Apropos Oberflächlichkeit – zurück zur Oskar Verleihung. 12 Years A Slave räumt ganze drei Oskars ab, unter anderem einen als bester Film. Der eingangs erwähnte „Witz“ wurde ganz überraschenderweise zur Realität. Man muss natürlich stark an der Glaubhaftigkeit des Komitees zweifeln, vor allem wenn im Nachhinein herauskommt, ein Großteil des Publikums habe den Film gar nicht gesehen und aufgrund seiner „gesellschaftlichen Relevanz“ für ihn gestimmt. Aber wen interessiert hier noch Glaubwürdigkeit? Hauptsache die Fassade glänzt.
Ah, der südstaatende Plantagenbesitzer als Äquivalenz zum deutschen Nazi – weiß, hässlich, brutal, stupide. Mit starken Bildern und emotional aufgeladenen Szenen dem Zuschauer ins Gehirn gehämmert. Die Botschaft – überdeutlich. Na ja, subtil war Hollywood in der Beziehung ja noch nie.
Wer, der noch alle Tassen im Schrank hat, tut sich so eine Propagandahülse eigentlich an [außer natürlich Filmrezensenten, die das müssen] ?