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Alain de Benoist, Meisterdenker der Neuen Rechten. Die Rechte für das Bild von Alain de Benoist liegen bei http://www.alaindebenoist.com/
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Alain de Benoist: Der Therapeutische Staat

Das folgende Interview erschien vor kurzem auf dem Netzportal Boulevard Voltaire und wurde von Nicolas Gauthier mit Alain de Benoist über die Transformation des liberalistischen Verwaltungs- in den Therapeutischen Staat geführt. Ein Mentalitätswandel von „Big Brother“ zu „Big Mother“ – ein Gespräch über die Lebenslügen des Westens und warum der Liberalismus und die Konsumgesellschaft unsere Freiheit bedrohen. Übersetzt aus dem Französischen von Alexander Markovics.

„Iss fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag!“ „Treibe Sport!“ „Hör auf zu Rauchen!“ „Trinke ein Glas aber nicht zwei!“ „Lass die Hände am Steuer!“ „Iss nicht zu fett“ „Trenne den Müll!“ Folgt auf „Big Brother“ „Big Mother“?

 

Seit dem Anfang des 19 Jahrhunderts wurde der Wohlfahrtsstaat ständig ausgebaut um den Wegfall der organischen Solidaritäten und Gemeinschaften zu kompensieren, welche durch den Aufstieg der individualistischen Ideologie aufgelöst wurden. Er hat sich heute in einen „Therapeutischen Staat“ transformiert, um einen von Christopher Lasch verwendeten Ausdruck zu verwenden. Dieser Therapeutische Staat definiert sich durch eine kranke Allianz aus Medizin und Staat, welche alle Arten von ungerechtfertigten Hemmungen der Freiheit erlaubt.

 

Die staatliche Autorität gibt sich mehr und mehr mütterlich, aber in der Art einer überfürsorglichen Mutter, welche ihre Kinder in einer totalen Abhängigkeit zu sich halten will. Diese einseitige Bindung zum Staat ersetzt die alten sozialen Bindungen. Die Medizin wird gleichsam totalitär, wenn sie versucht die Bevölkerung zu kontrollieren.

 

Der heute dominante Menschentyp ist der narzisstisch-unreife Mensch, für den keine andere Realität existiert, als die eigene und der andauernd seine Bedürfnisse befriedigen will. Dieser infantile Typus, von seiner Gesinnung her natürlich gänzlich liberal bis libertär, korrespondiert perfekt mit einem System, welches, wie es Marx sagte, „in den gläsernen Wassern des egoistischen Kalküls“ ertrinkt.

 

Es hat sich eine therapeutische, um das Ich zentrierte Zivilisation entwickelt. Pierre Manent hat zurecht gesagt, dass der Liberalismus zuallererst den Verzicht darauf darstellt, dass menschliche Leben im Sinne eines Wertes an sich und seines Endes zu denken.

 

In einer Gesellschaft, in der eine Unterhaltungsindustrie herrscht, in der sich niemand mehr nach dem Sinn seines Daseins in der Welt fragt, ist der Kult um das eigene Selbst das Alpha und Omega sowie der einzige Sinn des Lebens.

Es geht nicht mehr alleine um eine gute körperliche Verfassung, aber darum sich „gut in der eigenen Haut zu fühlen“ um die eigene Endlichkeit zu vergessen.

Während man erwartet in dieser verkommenen Welt unsterblich zu sein, träumt man den Traum von einer ewigen Jugend in einer Welt beherrscht von Individuen welche, da sie niemals zu Erwachsenen geworden sind, ein Leben in der Verschmelzung mit der Mutter führen, in welcher es keine symbolische Ordnung mehr gibt, und sie leben in einer Kultur des Präsens, befreit von jeglicher historischer Kontinuität.

Die Gesellschaft setzt sich dann nur aus dem Prinzip der mimetischen Rivalität zusammen, einer Rivalität der Egos, in freudianischen Begrifflichkeiten gesprochen entledigt sich das Ich des Es und Über-Ichs – jeder wird dazu verführt sich als den Nabel der Welt anzusehen, wer das nicht kann bevorzugt den Kampf aller gegen alle.

 

Was wollen sie damit genau genommen sagen?

 

Es gibt eine Tendenz zur „Psychologisierung“ aller politischen und sozialen Probleme. Der Anstieg der Kriminalität wird zu einem „sozialen Problem“, die Armut zu einem „schrecklichen Einzelfall“, die Masseneinwanderung zu einem „menschlichen Drama“ (welches durch das „Zusammenleben“ beseitigt werden soll).

Man zaubert einfach so den imminent politischen Charakter der Probleme und die Verantwortung welche mit ihnen einhergeht weg. Es gibt keine Ausgebeuteten mehr, nur mehr „Unglückliche“, „Opfer“ und „eher arme“ Menschen, usw. welche niemals ausdrücken werden, worin die „Klagen gegen das Unbekannte“ bestehen.

 

Anstatt über die Entfremdungsprozesse des herrschenden Systems aufzuklären, macht man Appelle an „psychologische Unterstützungszellen“ welche für die Beseitigung der sich „unwohl fühlenden“ Menschen verantwortlich sind. Der Gipfel des Mitgefühls und der Ideologie geht Hand in Hand mit der liberalen Glorifizierung der Privatssphäre. Die Verbreitung der therapeutischen Denkmuster marginalisiert die Familie und die Schule und lässt den Prozess der Herrschaft komplett unangetastet.

Die Propaganda der Ware befreit sich nicht von den alten Formen der Autorität, welche sich besser der öffentlichen Konditionierung unterwirft. Die Gesellschaft wird so durch das soziale ersetzt, der Kulturliberalismus kann somit gut die rießigen Schäden überstehen, welche durch die ökonomische Seite des Liberalismus verursacht wurden.

Alles materielle oder emotionale Begehren wird sofort in ein „Recht“ verwandelt. In diesem kapitalistischen System nährt sich der Wille zur Überakkumulation aus der Beschränkung des Begehrens. Die Ausbreitung der kapitalistischen Logik impliziert die Zerstörung all dessen, was das Verlangen zu Besitzen unterdrückt und zu Desinteresse führt.

Wie schon Jean Vioulac schrieb: „Die Machtergreifung der Konsumgesellschaft verlangt die Auflösung von allem was dazu in der Lage sein könnte den Verkauf der Ware zu bremsen, bis hin zur Abschaffung aller moralischen Gesetze, welche der sofortigen Bedürfnisbefriedigung im Wege stehen. Der Liberalismus, welcher sich in seiner Eigenschaft der Strenge der Deregulation und Deinstitutionalisierung aller menschlichen Aktivitäten auszeichnet, bedeutet die komplette Zerschlagung der Rechtsordnung, und ist darüber hinaus der stärkste Motor des Nihilismus.“

 

Mit den Jahren wollte man uns mit der bolschewistischen Bedrohung, der Bedrohung durch Le Pen, mit der islamistischen Flut und nunmehr mit dem Terrorismus und dem Klimawandel Angst einjagen. Und Sie Alain de Benoist, wovor haben Sie Angst?

 

Sie haben sich ohne Zweifel daran erinnert, was Beaumarchais im Barbier von Sevilla geschrieben hat: „Wenn man sich der Furcht vor dem Bösen ausliefert, leidet man bereits an dieser.“ Die Angst ist eine schlechte Ratgeberin, ich glaube man hat immer Angst vor der Angst des Anderen. Ich persönlich habe nicht aufgehört unter dem Sektierertum der Linken und der Dummheit der Rechten zu leiden. Je nach Tagesverfassung ist es die eine oder die andere Seite, die mir mehr Sorgen macht. Aber ich mag die „gemeinen Kerle“ nicht mehr, um mit Bernanos zu sprechen – also jene, welche sich niemals unter die Bettler begeben und hasserfüllte politische Ideen erschaffen. Die Feinfühligkeit ist gleichzeitig das Gegenteil der Strenge und der Gefühlsduselei.

 

 

 

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Über Alexander Markovics

Alexander Markovics
Geboren 1991, Studiert in Wien Geschichte, Politikwissenschaften die Autoren Alain de Benoist und Alexander Dugin. Obmann der IBÖ und Mitglied der IBÖ - Landesgruppe Wien.

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