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Captain Harlock – tragischer Retter aus dem All

Für mich und einige Wiener Identitäre ist ein kleiner ausgeborgter Jugendtraum in Erfüllung gegangen. Nach Ewigkeiten erschien endlich wieder Captain Harlock auf den Bildschirmen. Für alle, die es nicht wissen: Seine Figur war in den vergangenen zehn Jahren zu einer Kultfigur der europäischen „Alternativen Rechten“ avanciert. Für uns Wiener damalige Möchtegern-Avantgarde und neurechte jeunesse-doree war das natürlich ein gefundenes Fressen. Begieriger fast als Evola, Benoist und Neofolk wurde Captain Harlock aufgegriffen und in unsere Clique integriert. Plakate, Sticker und Parolen wurden ihm gewidmet. Der herrlich-kitschige Titelsong zur Kult-Serie wurde auf unseren WG-Partys fast schon rituell zelebriert und mitgesungen. Nun- wir waren jung und brauchten die popkulturelle Ausflucht dringender, als uns vielleicht selbst bewusst war.

 

Harlock Cargo-Held unserer Jugend

Mit Captain Harlock verbinden ich und einige andere also eine Art geistige Libertinage, einen eigenen, freien Aufbruch, eine „Goldgräberzeit“ der neurechten Lektüre und der Stilsuche. Dass wir dabei, anders als die ältere Generation italienischer Rechter, die Harlock tatsächlich noch als Cartoon-Helden ihrer Kindheit erlebt hatten, eigentlich null Bezug zu ihm und seiner Serie hatten, störte dabei gar nicht. Kaum einer von uns hatte je eine Folge ganz gesehen. Uns reichte der verwegene Stil und die Eckdaten zu Harlock vollauf. Ein geheimnisvoller Pirat, mit einem schneidigen Schlachtschiff, kämpft gegen eine totalitäre NWO, die den verblendeten Konsumsklaven einredet, er wäre der Böse. Eine verschworene Crew, die durch dunkle Stellarnebel gleitet und den Strafplaneten Erde befreien will. Auch heute noch passt der Anime gut zum identitären politischen Freiheitskampf gegen die Ideologie der Globalisierung, gegen den dekadenten Liberalismus und die Dämonisierung, der alle Patrioten ausgesetzt sind.

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Um die alten Serien ernsthaft und konsequent durchzusehen, fehlte uns allerdings Zeit und Lust und so übernahmen wir die Harlock-Begeisterung älterer Italiener einfach kritiklos als eine Art Cargo-Kult einer ausgeborgten Nostalgie. Zu der Zeit waren für uns Inhalt und Bedeutung sowieso von minderem Interessen und Stil hatte der Captain mit seinem Laserdegen, seiner Augenklappe und seinem Totenschädel-Emblem ja durchaus.

Harlock und Nietzsche

Jetzt bietet sich mit dem 2013 erschienen Harlock-Film in 3D auch für uns endlich mal die Gelegenheit, ihm tiefer in sein Universum zu folgen und ich muss gestehen, dass ich ein wenig nervös war. Würde der Inhalt das halten, was das Äußere verspricht?
Als notorischer, wandelnder Universalismus-Detektor fürchtete ich ehrlich, dass dieser neue Harlockfilm, mir den Cargo-Held meiner späten Jugend ruinieren könnte. Aber ich kann Entwarnung geben: Er hat im Gegenteil meine Begeisterung nur neu entfacht! (Auch das Ohrwurm- Intro zur alten Serie läuft derzeit bei mir wieder rauf und runter und ich schwelge diesmal in echten, eigenen, nicht ausgeborgten Erinnerungen. 😉

Der Film ist einer der interessantesten und offen „philosophischsten“, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Ich sage „offen“, weil hier tatsächlich weniger als sonst interpretiert und ausgedeutet werden muss. Er hat eine klare und direkte Botschaft, die, der Leser wird es erwartet haben, mit keinem anderen Wort als „identitär“ beschrieben werden kann.
Tatsächlich ist der Film eine epische Ode an das Ja zum Leben, an die ewige Wiederkehr, an das Schaffen, das Vergänglichkeit trotzt und an das nutzlose Dienen. Als mittlerweile Nietzsche-kritischer Heideggerianer gefällt mir aber, dass auch die Dimension des Utopischen, dass die Idee von Gemeinschaft und Sinnsuche nicht in einer zynischen Willensmetaphysik und keinem platten „Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst“ aufgehen.
Vielmehr geht es ganz konkret um die Frage nach Neuanfang, Ursprung, Endlichkeit und Sinnlosigkeit.

 

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Am Rande des Abgrunds

Es steht schlecht um die Menschheit. Der Film beginnt mit einem für Sci-Fi-Filme so typischen Einführung aus dem Off. Die Menschheit hat nach der technischen Meisterung der Lichtgeschwindigkeit tausende Kolonien auf verschiedenen Planeten gegründet, ohne intelligentes Leben zu finden. Als alle Terraforming- und Besiedlungsversuche allmählich zusammenbrachen, entstand eine große Rückreisewelle der gewachsenen Menschheit, die in einem gigantischen „Heimatkrieg“ um die Erde endete. Im Zuge dessen gründete sich eine totalitäre Regierung, die „Gaia-Sanction“, welche die Erde zum heiligen Gebiet erklärte, das keiner betreten dürfe.
In diesem Universum kämpft Harlock als gejagter und verhasster Weltraumpirat mit seinem Raumschiff, der „Acardia“, gegen die Regierungstruppen. Er ist eine lebende Legende. Ihm wird nachgesagt, dass er mehr als 100 Jahre alt sei und dass sein Schiff über geheime, unbekannte Alien-Technologie verfügt.
Die Geschichte beginnt, als es gelingt, einen Regierungsspitzel in die Acardia einzuschleusen: Yama, der neben Harlock die zentrale Figur der Geschichte sein wird. Was sich nun dem begeisterten Zusehen entbreitet, ist eine Geschichte wahrhaft epischen Ausmaßes, die auch optisch zu überzeugen weiß.
Zwar hätte ich auch gerne einen klassischen, gezeichneten Anime gesehen, doch in Anbetracht einer möglichen Verfilmung mit echten Schauspielern, die jedes Harlock-Flair notwendig zerstört hätte, bin ich mit dieser Fassung sehr zufrieden. Auch die gigantischen Raumschlachten profitieren natürlich von der 3D-Umsetzung. Es wird zwar keine Bildtechnik wie in Gravity geboten, doch in keinem Moment fügte eine schlechte Animation, eine verwaschene Textur oder ein Polygonenfauxpas der Atmospähre einen Riss zu. Die Dialoge waren, vor allem in den eingestreuten „philosophischen“ Passagen, wie bereits angedeutet hochinteressant und absolut hollywooduntypisch und hoben sich angenehm vom üblichen „Genieße das Leben, denn der Weg ist das Ziel“- Geseiher aus Hollywood (vorzugsweise vom „magical negro“  präsentiert) ab.
Zwar würde ich insgesamt den Film nicht als absoluten „Pflichtfilm“ beschreiben. Der Aufbau der Geschichte, die Zeichnung der Figuren, der Spannungsbogen – all das ist zwar insgesamt gut gemacht, aber teils etwas vorhersehbar. Auch das Flair ist, vor allem aufgrund der 3D-Animation, nicht mit anderen japanischen Anime-Filmen wie etwa „Prinzessin Mononoke“ oder „Das wandelnde Schloss“ zu vergleichen. Dennoch gibt es hier von mir eine absolute Empfehlung, schon allein weil damit einer Urfigur der identitären Avantgarde geehrt wird. Es wäre aber keine Rezension von mir, wenn ich nicht auch noch kurz auf die besagte philosophische Botschaft eingehen würde. Ich möchte das in einem letzten Absatz tun, der wieder nicht frei von Spoilern sein wird.

XXX ACHTUNG SPOILER XXX

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Eine tragische Weltsicht

Oben habe ich die Botschaft als an Nietzsche orientiert beschrieben. Jetzt will ich näher darauf eingehen, was ich damit meine. Im Laufe des Films entpuppt sich Harlocks Plan, durch die Sprengung aller galaktischen Zeitknoten einen „Neuanfang“ für die Menschen zu schaffen, als totaler „Reset“ das ganzen Kosmos. Er weiß nämlich, dass die Erde in Wirklichkeit gar nicht mehr existiert, dass der blaue Planet nur ein Hologramm der Gaia Sanction ist, um den verzweifelten Massen einen Hoffnungsschimmer vorzugaukeln.  Er will zurück zu einem „reinen Anfang“, will das Bestehende, Verkommene vernichten und einen Neuanfang im Ursprung der Zeit finden. Die Gaia Sanction hingegen will den Schein wahren, will das faule System mit Lüge und Täuschung am Leben erhalten.
Die Erste steht in diesem Konflikt für die Idee von Reinheit, Harmonie und Ursprünglichkeit, dass es in der Welt so nicht gibt. Harlock verzweifelt daran und will zurück zu einem vermeintlichen Ursprung. Er endet im totalen Vernichtungskrieg gegen alles Bestehende, in der Sehnsucht nach „Natürlichkeit“ und „Ursprünglichkeit“, wie wir sie zum Beispiel auch bei Rousseau und vielen anderen „New Age“- und Hippie-Bewegungen finden können.

Die Gaia Sanction trägt ganz klar die Züge universalistischer, totalitärer Systeme, die den Massen eine dogmatische, „absolute“ Wahrheit vorgaukeln, die sich bei näherer Betrachtung als inhaltsleeres Hologramm entpuppt. Auch sie wollen sich nicht eingestehen, dass das Absolute, die totale Harmonie, Einheit und  Ursprünglichkeit, für welche die Erde, Gaia, symbolisch stehen könnte, nicht existiert. Sie wollen sie mit Lüge und intergalaktischer „Globalisierung“ erzwingen, wie das heute der liberale Westen mit seiner „Religion der Menschenrechte“ oder der totalitäre Islam mit seinem Koran versuchen.‘

Yama geht einen dritten Weg zwischen diesen beiden Positionen, die auch beiderseits für ein bestimmtes, verfehlte Zeitverständnis stehen. Harlock will zurück zu einem totalen Anfang. Die Gaia Sanction will die „Menschheit“ in einem verlogenen Ende der Geschichte einfrieren, einlullen und einpendeln. Yama steht für das Weiter, für das unbedingte Ja zum Leben in all seiner Endlichkeit, Unfassbarkeit und Unabgeschlossenheit. Hin und her gerissen zwischen beiden Fraktionen entscheidet er sich am Ende für einen dritten weg. In einigen Schlüsselszene des Filmes bricht er in wenigen Worten herunter, was man als eine tragische Weltsicht bezeichnen könnte. Es geht nicht um bestimmte Formen, Ideale, Zustände, Erinnerungen und Hoffnungen des Lebens, sondern um das Leben an sich. Die Blume, die Yama auf der Erde findet, zeigt: Weder die totale Harmonie noch der totale Krieg, weder das total Reine, noch das totale Verdorben, finden wir in der Welt. Die Erde war nie der „ideale Ort“ als der ihn Harlock und die Sanction verklären. Sie ist aber auch nicht das absolute Jammertal, keine reine Hölle. Sie hat die Kraft zur Regeneration. Das Leben auf ihr ist nicht „ideal“, es ist hart und brutal, es ist nicht schlecht oder böse. Statt in der Zukunft, Gegenwart oder Vergangenheit nach Illusionen zu suchen, muss man im Dasein hier und jetzt für das Gute und gegen das Schlechte kämpfen. Nicht für das „Absolute“, „Ewige“, sondern für das Konkrete, Wirkliche und Endliche. Man könnte es auch amor fati nennen.

Die Hoffnung bleibt

„In dem sich wiederholenden Augenblick sehen wir die Ewigkeit.“, sagt Harlock, um fragend anzufügen: „Ist das Freiheit?“ „Für alle Ewigkeit lebt das Leben durch sich selbst“, sagt Yama. Doch es ist auch mehr als das. Captain Harlock, dessen Erbe Yama am Ende des Filmes antritt, steht für die Freiheit, die Utopie, das Jenseits, das auch jenseits eines bloßen Zirkelkreises des Lebendigen steht. Harlock, gehüllt in Antimaterie, ist das Nichts, das mehr ist als bloße Negation des Bestehenden und in sich die Hoffnung auf ein Mehr als das nur Bestehende trägt. Eine Hoffnung, die keine dogmatische „Wahrheit“, keine atavistische Sehnsucht, sondern eine ständige Möglichkeit eine ewige Aktualität ist. Die Menschheit, wird, egal in welche Ecken des Alls, welche Winkel von Raum und Zeit sie sich begibt, nichts anderes finden als sich selbst und ihre ewigen Urfragen, ihre Endlichkeit, Vielheit und ihren Daseinskampf. „Es wird sich nichts ändern.“ – Und doch ist Harlock der Mann, „der es trotzdem versucht“. Man könnte jetzt fortfahren, Parallelen in der Mystik, in der japanischen Zen-Philosophie, die hier wohl auch ihre Spuren hinterließ, suchen. Man könnte über den Namen des Raumschiffs „Acardia“ sinnieren, man könnte gar die ewige Figur Harlocks, einäugig und begleitet von einem rabenartigen Vogel, mit mythischen Gestalten wie Odin vergleichen. Aber das führt hier wohl zu weit und dieses Vergnügen möchte ich dem werten Leser selbst überlassen.

Über Martin Sellner

Martin Sellner
Studiert in Wien Rechtswissenschaften und Philosophie. Leiter der IBÖ Landesgruppe Wien.

2 Kommentare

  1. „Es geht nicht um bestimmte Formen, Ideale, Zustände, Erinnerungen und Hoffnungen des Lebens, sondern um das Leben an sich. “

    „d hoben sich angenehm vom üblichen „Genieße das Leben, denn der Weg ist das Ziel“- Geseiher aus Hollywood“

    Wo ist der Unterschied?

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