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Cashback (Film)

Es müssen nicht immer spartanische Krieger und schottische Rebellen sein. Es muss auch nicht immer eine kultige Dystopie sein, bei welcher der Hintersinn so zwischen den Zeilen hervorquillt, dass sich eine metapolitische Deutung geradezu aufdrängt. Manchmal kann es, nein muss es für mich auch einfach ein guter Film sein, der nichts mit Politik, Metapolitik, Geistesgeschichte …

Review Overview

Gesamteindruck

Sehr gut

Summary : Großartige Bilder mit guter Musik und ein herrlich langsames Erzähltempo über ein zeitloses Thema. Ein guter, britischer Film mit überraschungsfreier Geschichte und teilweise unnötigem Brauchialhumor. Großartige Schauspieler, eine Ode an die Schönheit der Frau. Unbedingt ansehen!

Benutzerwertung: 4.38 ( 3 Wertungen)
84

Es müssen nicht immer spartanische Krieger und schottische Rebellen sein. Es muss auch nicht immer eine kultige Dystopie sein, bei welcher der Hintersinn so zwischen den Zeilen hervorquillt, dass sich eine metapolitische Deutung geradezu aufdrängt. Manchmal kann es, nein muss es für mich auch einfach ein guter Film sein, der nichts mit Politik, Metapolitik, Geistesgeschichte und dergleichen zu tun hat. Ein Film, der einfach nur schön, mitreißend und gut erzählt ist.

„Cashback“ ist definitiv so ein Film. Das Werk des britischen Regisseurs Sean Ellis ist ein Perle, die, wie so oft, relativ unbekannt ist. Schon bei der Klassifizierung tut man sich recht schwer. Der Film hat seltsamerweise Elemente einer typischen Hollywood-Komödie, die fast schon in den Bad-Taste-Bereich gehen. Ja, er hat eine amüsante und lockere Erzählweise: easy listening – easy watching. Gleichzeitig ist die Geschichte, über die enttäuschte Liebe eines jungen Kunststudenten, über Schönheit, Zeit und Schmerz, so viel mehr als nur eine locker-seichte Komödie. Es ist eine Liebeserklärung an die Form: des weiblichen Körpers, vor ihrer „Macht, die sie unwissentlich besitzen“, sowie der Schönheit überhaupt. Es ist eine Hommage an das Stillleben, an die Kunst und jenen Augenblick des Schauers, in dem die Ästhetik das Zeitliche sprengt… Genau hier nimmt dieser hinreißende Genre-Mix nämlich den Charakter eines Mystery-Films an.

Das Wie macht es aus

Ben, der sympathische und träumerische Hauptprotagonist, kann nach der schmerzhaften Trennung mit seiner Freundin vor lauter Liebeskummer nicht mehr schlafen. Um aus der Not eine Tugend, das heißt Geld, zu machen, nimmt er einen Job für die Nachtschicht eines kleinen Supermarktes an. Nach zwei schlaflosen Wochen verändert sich seine Realitätswahrnehmung. Er erlernt eine übernatürliche Fähigkeit, die zentral für den weiteren Verlauf wird. Beim Versuch, seine dröge Schicht subjektiv schneller ablaufen zu lassen, lernt Ben die Zeit anzuhalten. Die von einem feinen Geigen-Soundtrack begleiteten Kamerafahrten durch die eingefrorene Welt, in der er sich frei bewegen kann, gehören zu den genialsten Momenten des Films, die allein schon seine Existenz rechtfertigen.

Ben beginnt, nicht zuletzt zur Freude des Zusehers, seiner ästhetischen Leidenschaft für den weiblichen Körper folgend, die Kundinnen des Supermarkts in diesem gefrorenen Zeitloch zu entkleiden und zu malen.

„Und wäre das verwerflich? Würden sie mich hassen? Dafür dass ich sie ansehe? Ich meine sie wirklich SEHE.“

Gleichzeitig entspinnt sich eine herrlich komische Geschichte mit seinen Nachtschicht-Kollegen, die vom nervigen Chef über die geschmacklosen Clowns bis zum nerdigen Freak alle typischen Rollen für einen netten Comedyfilm stellen. Und da ist dann noch Sharon, das Mädchen an der Kassa, die auch – so viel sei verraten – eine Rolle in der weiteren Geschichte spielt.

Diese Geschichte ist dabei frei von plot-twists und steilen Spannungsbögen. Er ist, wie gesagt, eine relativ angenehme Kost. Der Film geht runter wie Öl und bietet mit gelegentlichen derben Witzen sowie erotischen Einlagen auch Unterhaltung für einfachere Zeitgenossen. Es geht hier aber auch weniger um das „Was“ als um das „Wie“.

Die großartige Musik von Klavier und Geige trägt den Film, der über seinen ganzen Verlauf von der (ebenfalls großartigen) Stimme der Hauptfigur begleitet wird, die ihn kommentiert. Diese Kommentare reichen von redundanten Lebensweisheiten, bis hin zu echten zitierfähigen Juwelen. Raffinierte Schnitte und Rückblenden begleiten diese Erzählung harmonisch. All das zusammen taucht den Film in eine herrliche Langsamkeit und Gemächlichkeit, die gerade fürs uns auf „Action“ und schnelle Schnitte Konditionierte eine echte Labsal ist. Trotz dieser schwermütigen, getragenen Melancholie, die in einigen faszinierende Zeitlupen kulminiert, ist er leider viel zu schnell vorbei. Die eineinhalb Stunden verfliegen wie nichts.

Zeitloser Schmerz & zeitlose Schönheit

Im Film geht es, so meine bescheidene Interpretation, vor allem um zwei zentrale Themen: Schmerz und Schönheit. Beide kreisen um die Frage der Zeit.

„Der menschliche Schädel zerspringt bei einem Druck von ungefähr 250 Kilo – aber die menschliche Seele ist weitaus empfindlicher.“

Der tiefe Schmerz, den die Trennung ins Dasein des sensiblen Ben gerissen hat, bringt seinen Lebensrhythmus aus dem Takt. Die Fähigkeit die Zeit einzufrieren, die aus seiner Schlaflosigkeit erwächst, korreliert mit der ständigen Rückblende auf den Moment der Trennung. Der Schmerz ist zeitlos. Ebenso zeitlos ist aber die Schönheit an sich, die neben seiner Ex Suzie, die zweite Leidenschaft seines Lebens ist.

„Dieser Moment, wenn man jemanden die Straße entlanggehen sieht, der so schön ist, dass man einfach hinstarren muss.“

Diesen flüchtigen Moment, den Augenblick, in dem die Schönheit einschlägt wie ein Blitz, kann Ben nun verewigen, kann „das Konzept der Schönheit erfassen (…) wie sie gefroren vor einem steht, eingefangen, nichtsahnend.“
Jeder, der ein Gespür dafür hat, der wahre Schönheit wirklich sehen kann, der sich von ihr verletzen lässt und das Vorüberziehen einer solchen Urgewalt bis zum letzten Augenblick aus dem Augenwinkel auskostet, um an ihrem jähen Verschwinden zu leiden, wie jemand, der aus einem schönen Traum aufwacht – also jeder, der kein blöder Bloom ist, der auf plumpe, nackte Reize abgestumpft wurde, oder schlimmer noch, bereits so geboren ist – versteht, worum es hier geht.

True beauty is something that attacks, overpowers, robs, and finally destroys“

Der Film ist in seinem Bereich zu schön, um ihn mit diesem Mishima-Zitat doch noch einen Schuss „neurechter“ Metapolitik zu verpassen, weswegen ich auch hier rein „ästhetisch“ vorgehen will. Wahre Schönheit hat immer etwas Gewaltiges, Vergewaltigendes an sich. Sie „zieht uns in ihren Bann“. Sie lässt gar keine Wahl, sie reißt den Blick an sich, lässt den Verstand entgleisen und nüchterne Männer ins Schwärmen kippen. Sie ist antiegalitär, „undemokratisch“ und „diskriminiernd“ bis zum Gehtnichtmehr. Vielleicht sind deshalb fast alle Feministinnen hässlich?

Die Schönheit verweist auf die Zeitlosigkeit, also grob gesagt die Ewigkeit. Sie rebelliert gegen den Verfall, die Halbheit, Endlichkeit und Sterblichkeit, mit einer Verheißung, die zwischen den Sekunden des Lebens liegt.

„Liebe ist da, wenn du bereit bist. Du musst nur sehen, dass sie in Schönheit gehüllt ist und zwischen den Sekunden deines Lebens versteckt. Wenn du nicht für eine Minute inne hälst, könntest du sie verpassen.“

Das was Mishima mit „finally destroys“ und Death in June mit dem kongenialen Satz „death is the martyr of beauty“ ansprechen: die Beziehung zwischen Schönheit und Tod, Zeitlosigkeit und Leblosigkeit, bleibt im Film unangetastet. Er ist, wie bereits gesagt, ein heiterer Film, der neben diesen großen Themen auch das Lebensglück des sympathischen Hauptdarstellers, seine Beziehungen und seinen erhofften Durchbruch als Künstler behandelt.

Er ist nicht zuletzt auch sehr „sexy“, ohne vulgär und primitiv zu sein (abgesehen, wie gesagt, von den relativ unnötigen Zoten), was für einen modernen Unterhaltungsfilm ein fast einmaliges Prädikat sein mag. Alles in allem also ein Pflichtfilm, für jeden – ausdrücklich nicht „nur“ für Identitäre – sondern wirklich jeden, der mit Begriffen wie Schönheit, Schmerz und Zeitlosigkeit etwas anfangen kann, der von Mainstream-Filmkost abgestoßen und „schwedischen Schwarz-Weiß-Kunstfilmen“ gelangweilt ist. Soweit ich bisher im deutschsprachigen Raum ‚rumgekommen bin, umfasst das ohnehin die meisten Identitären, doch bevor ich wieder ins Politische kippe, breche ich diese Rezension ab, und hoffe, dass Cashback im Anschluss an ihre Lektüre nahtlos gegoogelt und gesehen wird.

Trailer:

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Über Martin Sellner

Martin Sellner
Studiert in Wien Rechtswissenschaften und Philosophie. Leiter der IBÖ Landesgruppe Wien.

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