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Die drei Ebenen der Identität

Wenn wir Identitäre von Identität sprechen, dann meinen wir damit zunächst die zwei Seiten der ethno-kulturellen Identität: Die ethnische wie die kulturelle Komponente, welche sich gegenseitig ergänzen und letztlich beide unsere Identität ausmachen. Doch darüber hinaus existieren drei Ebenen, welche dieses „Bewusstsein eines Menschen von sich selbst“ gerade auf der kollektiven Ebene ausmachen:

1) Die regionale Identität

2) Die nationale Identität

3) Die zivilisatorische Identität

Gerade weil im Europa des 21. Jahrhunderts im Zuge der Wiederkehr der Identität als politischem Faktor auch alle drei Ebenen der Identität wieder auf das politische Parkett zurückgekehrt sind, ist es für uns Identitäre nicht nur wichtig, über die zwei Seiten der ethno-kulturellen Identität bescheid zu wissen (denen sich Armin Fuhrmann in einem Beitrag widmen wird), sondern auch über ihre drei Ebenen. Was sind also eigentlich regionale, nationale und zivilisatorische Identität und in welchem Verhältnis stehen sie zueinander?

Die regionale Identität

Unter der regionalen Identität verstehen wir die erste kollektive Ebene der Identität, also jene Gruppenzugehörigkeit, welche über die Familie hinausgeht. In Europa versteht man darunter die Regionen, also Gebiete, welche über Jahrhunderte wenn nicht sogar Jahrtausende hinweg von einem bestimmten Stamm geprägt wurden und im Zuge dessen nicht nur etwa eine bestimmte Landschaftsform kultiviert haben, sonder auch in sprachlicher (Dialekte), ethnischer und kultureller sowie traditioneller Hinsicht eine Zugehörigkeit geschaffen haben, welche sich in vielerlei Hinsicht von anderen Entitäten abgrenzt. Ein perfektes Beispiel hierfür sind etwa die Bundesländer in Deutschland und Österreich, welche durch die lange föderale Tradition dieser Länder bis heute eine große Vielfalt an Regionen erhalten haben: So ist etwa Bayern im heutigen Deutschland eine Region mit einer starken regionalen Identität, die auch eine starke politische Realität im Staatsverband darstellt. Dabei besteht hier in kultureller Hinsicht ein starkes Nord-Süd Gefälle, worin die sächsische Kultur im Norden vor allem mit dem Niedersächsichen eine eigene Sprache besitzt, die eine vom Standarddeutschen unabhängige Sprache darstellt, welche eine stärkere Verwandschaft mit dem Englischen als mit dem Deutschen aufweist; nur aufgrund des politischen Willens der Deutschen in Nord und Süd bilden diese eine sprachliche Einheit.

In Österreich wiederum kann man am Phänomen der ehemaligen Grenzländer (oder: Grenzmarken) ebenfalls die regionale Identität sehr schön illustrieren: Bundesländer wie Tirol oder die Steiermark weisen gerade aufgrund der ständigen Konflikte mit anderen Völkern ein starkes regionales Bewusstsein auf: Durch jahrhundertelange Abwehrkämpfe mit den Türken (Steiermark) bzw. Nationalitätenkonflikten mit den Slowenen hat sich hier ein starkes Bewusstsein des Eigenen gebildet, welches nicht nur besungen wird oder im Brauchtum Niederschlag findet, sondern auch bspw. wehrpolitisch seinen Niederschlag fand (siehe die Tiroler Standschützen in Tirol, welche bis zum Ende des Ersten Weltkriegs eine militärische und bis heute eine politische Rolle spiel(t)en). Darüber hinaus kann auch eine einzige Stadt eine eigene regionale Identität hervorbringen, wie man es etwa an der Stadt Wien in Österreich exemplarisch nachweisen kann. Wie wir am Beispiel der Vereinigung von Oberdeutsch sprechenden Bayern und niedersächsisch sprechenden Sachsen sehen können, existiert aber auch eine Ebene über der regionalen Identität: Die nationale Identität.

Die nationale Identität

Die nationale Ebene wiederum ist jene Identitätsebene, auf der wir von Völkern und Staaten sprechen. Dabei ist sie nicht zwangsläufig mit dem Nationalstaat gleichzusetzen: Schon vor den Nationalstaaten existierten Völker. Franzosen und Deutsche etwa hatten jeweils für sich schon seit dem Vertrag von Verdun jeder für sich eine gemeinsame Sprachgemeinschaft und ein Zusammengehörigkeitsgefühl – also seit 843 nach Christus – im Falle der Deutschen sogar 1000 Jahre vor der Gründung eines eigenen Nationalstaates 1871. Die Entstehung der nationalen Identität geht dabei meist auf die Vereinigung mehrerer regionaler Stammestümer zu einem Königreich zurück (Kraft des politischen Willens eines Herrschers) in welchem schließlich durch Prozesse der Abgrenzung gegenüber anderen Reichen/Staaten über einen jahrhundertelangen Prozess der gemeinsamen Sprachbildung, gemeinsame überregionale Bräuche, Traditionen und schließlich auch durch Vermischung die politisch-ethnische Gemeinschaft eine Volkes entsteht – ein Prozess, der nicht selten auch mit dem Einsatz von Gewalt einhergegangen ist, jedoch zumeist überwiegend friedlich zu Stande gekommen ist.

Dieser Prozess der Ethnogenese (Volkswerdung) duldete dabei immer die regionale Vielfalt, da er nie auf eine Homogenisierung zu einem einheitlichen Staatsvolk abzielte. Erst mit dem Nationalismus als Kind der Moderne strebte man nach einer Vereinheitlichung der Untertanen. So sprachen etwa in Frankreich am Vorabend der Revolution nicht einmal 50% der Untertanen Französisch, sondern mehrheitlich regionale Dialekte; die Folge war ein sukzessives Verschwinden regionaler Bindungen in Europa. Jedoch führte der Nationalismus nicht zu einer gänzlichen Ausmerzung der regionalen Identitäten, wie wir etwa heute noch am starken regionalen Bewusstsein der Bretonen und Basken in Frankreich sehen können. Nicht nur am Nationalfeiertag oder auf Fußballländerspielen ist dabei eine das gesamte Volk umfassende Solidarität festzustellen, sondern auch im Alltag, bspw. bei Flutkatastrophen.

Nicht nur durch Masseneinwanderung und politische Prozesse wie den Großen Austausch kann es aber auch zu einer Desintegration der Nation kommen: Kommt es im Rahmen einer nationalistischen Agenda etwa zu Uniformisierungsmaßnahmen oder etwa dem regelrechten Versuch, eine regionale Identität oder ganze Regionen auszulöschen, folgen nicht selten Aufstände und bewaffnete Kämpfe gegen die Institutionen des Staates: Der Südtiroler Freiheitskampf bis in die 1960er Jahre, der Kampf der ETA aber auch der Bürgerkrieg in der Ostukraine sind Beispiele für separatistische Bewegungen als Reaktion auf nationalistische Politik. Im Regelfall stellt aber die nationale Ebene vor allem ein solidarisches Zusammenwirken der einzelnen Regionen dar, welche die regionale Identität der selben nicht zerstört sondern schützt. Über der nationalen Ebene steht schließlich noch eine weitere Integrationsebene, die ähnlich der nationalen Ebene in Form des Volkes schon seit Jahrhunderten existiert, jedoch in Europa erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in politische Formen gegossen wird: Die zivilisatorische Identität.

Die zivilisatorische Identität

Diese Identitätsebene umfasst mehrere Völker und Staaten, welche aufgrund einer gemeinsamen Geschichte, kultureller und religiöser sowie ethnischer Verwandtschaft ein gemeinsames Bewusstsein teilen. Die europäische Zivilisation etwa fußt auf dem gemeinsamen christlichen Erbe, der antiken Philosophie, der gemeinsamen ethnischen Verwandtschaft der meisten sie umfassenden Völker seit der Landnahme der Indogermanen (oder: Indoeuropäer) sowie dem germanischen Ordnungs- und Herrschaftsdenken, welches schließlich diese Zivilisation im Mittelalter hervorbrachte.

Mit den Bedrohungen des 21. Jahrhunderts, seien es die Flüchtlingsströme aus Nordafrika und dem Nahen Osten, dem aggressiven Vordringen der islamischen Zivilisation in Form des Islamischen Staates oder der Unterminierung der Souveränität der europäischen Nationalstaaten durch die USA, kann ein europäischer Nationalstaat alleine nicht fertig werden, auch nicht, wenn er das machtpolitische Potenzial Deutschlands, Frankreichs oder Großbritanniens hat. Auch die Herausforderungen, welche die Integrationsprozesse anderer Zivilisationen mit sich bringen, etwa jener Eurasiens unter der Führung Russlands, können nur angenommen werden, wenn auch die europäische Zivilisation diesen Weg fortschreitet, und ihn nicht abbricht.

Jedoch ist jener Weg der europäischen Integration, wie ihn die EU zur Zeit führt von identitärer Seite radikal abzulehnen. Die Politik der EU ist als ein einziger Amoklauf gegen die regionalen wie nationalen Identitäten der Mitgliedsstaaten zu beschreiben: Auf der einen Seite zerstört man die nationale Identität der Völker durch den Großen Austausch, auf der anderen Seite vernichtet man historisch gewachsene Regionen mittels der Erschaffung sogenannter „Europaregionen“ und ordnet, wie die europäischen Kolonialisten es in Afrika taten, die Landkarte mit dem Lineal neu. Regionen werden einfach entlang von Flüssen und Gebirgen neu geordnet, ihre historischen Wurzeln im Dienste der Wirtschaft beseitigt. Europa wird durch die EU zu einem reinen Markstandort degradiert.

Dass Staaten wie Großbritannien lieber heute als morgen aus diesem „Global Monsterstate“ ausbrechen wollen, der die Identitäten seiner Mitgliedsstaaten im liberalistischen Furor auf dem Altar des illusorischen Menschheitsstaats opfern möchte, ist dabei nur allzu verständlich, so wie separatistische Tendenzen in nationalistischen Regimen nicht verwunderlich sind. Dass die EU den europäischen Gedanken für den liberalistischen Wahn ihrer Komissare missbraucht, kann man auch daran erkennen, dass sie über die Grenzen der europäischen Zivilisation hinaus expandieren will. Dass der Wunsch nach dem  EU-Beitritt der Türkei aber mit massivem Widerstand konterkariert wird und deswegen auf Eis gelegt wurde, zeigt aber die Wirkmächtigkeit zivilisatorischer Grenzen, welche auch der Mehrheit aller Europäer instinktiv bewusst sind.

Die drei Ebenen der Identität – kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander

Wenn wir also von den drei Ebenen der Identität und ihrem Zusammenspiel sprechen, müssen wir sie uns wie eine Matrjoschkapuppe vorstellen: Nur zusammen und aufeinander aufbauend kann sie bestehen, so wie die nationale Ebene nicht ohne die regionale Ebene funktioniert, kann auch die zivilisatorische Ebene nicht ohne die nationale Ebene funktionieren. Die Aufgabe der höheren Ebenen besteht nicht zuletzt im Schutz jener Ebenen, auf denen sie aufbauen. Ein guter Europäer kann nur jemand sein, der sich auch seiner nationalen Identität bewusst ist und danach trachtet, diese zu bewahren, genauso wie man beispielsweise auch nur ein guter Österreicher sein kann, wenn man die Identität der Kärntner Slowenen beschützt (und umgekehrt).

Versucht man hingegen die regionalen und nationalen Ebenen zu zerstören, auf denen die zivilisatorische Identität aufbaut, so ist nicht das Ende der untergeordneten Ebenen die Konsequenz, sondern die Disintegration der übergeordneten Einheiten, die nur durch das Einverständnis der sie konstituierenden kollektiven Identitäten bestehen können. Nicht Zentralismus und Uniformisierung garantieren das Funktionieren und den Bestand einer Zivilisation oder eines Nationalstaates, sondern Subsidarität und Föderalismus. Europa wird nur sein, wenn es seine Einheit aus der ihm innewohnenden Vielfalt bezieht, oder es wird nicht sein.

Matrjoschka Nation Region Zivilisation

Über Alexander Markovics

Alexander Markovics
Geboren 1991, Studiert in Wien Geschichte, Politikwissenschaften die Autoren Alain de Benoist und Alexander Dugin. Obmann der IBÖ und Mitglied der IBÖ - Landesgruppe Wien.

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