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Interview – Alexander Dugin

Bereits vor geraumer Zeit (Mitte 2014) wurden Alexander Dugin für IG einige Frage gestellt, die sich auf die Vierte Politische Theorie, die Eurasische Union und die Identitäre Bewegung bezogen. Obwohl einige Punkte einer weiteren Erläuterung bedürften, ist es mit Sicherheit für viele unserer Leser von großem Interesse.

IG: Herr Professor Dugin, bis zur Übersetzung ihres Buches „Die Vierte Politische Theorie“ ins Deutsche waren Sie in Deutschland und Österreich nur einem kleinen akademischen Fachpublikum bekannt. Bitte stellen Sie sich unseren Lesern kurz vor.

Es ist nicht leicht, meinen intellektuellen und politischen Werdegang zu erzählen. Ich wurde von der Repression durch den KGB geprägt, welcher mich in den späten 70er Jahren als antikommunistischen Dissidenten aufgrund meiner politischen Überzeugungen verfolgte. Seit diesem Zeitpunkt bin ich sowohl ein Feind des internationalen Marxismus als auch des Liberalkapitalismus. In den frühen 80ern entdeckte ich sowohl den Traditionalismus Rene Guenons und Julius Evolas als auch die Bewegung der Konservativen Revolution. In der geistigen Umwelt Russlands kam diesen Tendenzen die Eurasische Idee der weißrussischen Emigranten am nächsten. Deshalb wurde ich von diesem Zeitpunkt an zum Vertreter der eurasischen Denkschule. Ich stand dem Liberalismus immer feindlicher gegenüber, weil eben sein anderer ideologischer Feind, welchen ich immer gehasst hatte, der Marxismus, gefallen war.

Ich bevorzugte die Tradition, die Kirche, die Familie, die Hierarchie und die Ewige Wiederkehr des Sakralen und der Ewigkeit gegenüber einem linearen Zeitverständnis. Ich war und bin für die Wiederherstellung der spirituellen, antimaterialistischen Zivilisation. Ich bin gegen die Moderne und betrachte die Tradition nicht als die Vergangenheit, sondern vielmehr als etwas ewig Aktuelles und Gegenwärtiges. Im europäischen Kontext entspricht meine Art des Denkens besser der neurechten Weltanschauung und Metapolitik von Alain de Benoist. Ich betrachte ihn als den größten Denker Europas der Gegenwart. Das war mein Standpunkt seit den frühen 80er Jahren. Offensichtlich konnte ich keinen Einfluss während der Sowjetära ausüben. Während der Perestroika trat ich verschiedenen patriotischen Gruppen in Russland bei, welche behaupteten, zur Tradition zurückkehren zu wollen.

Nach dem Fall des Kommunismus blieb nur ein Mitglied des bereits erwähnten Paares ideologischer Feinde übrig – der Liberalkapitalismus, verkörpert in der US-amerikanischen Hegemonie und der NATO. Also erklärte ich der Hegemonie der USA und der kapitalistischen Ideologie, welche sich in Russland auszubreiten begann, den Krieg. Daher schlug ich vor, eine gemeinsame Front zu bilden, welche die nationale Linke (antimaterialistisch und antiliberal, souveränistisch) und die neugeformte russische konservative Rechte zu vereinigen. Ich nannte diese Tendenz Nationalbolschewismus. Nun wird diese Richtung von der bedeutendsten Denkfabrik Russlands, dem Izborskyklub (mit Näheverhältnis zu Putin) vertreten, welcher von meinem langjährigen Freund Alexander Prokhanov geführt wird, welcher schon immer mein Kollege im nationalbolschewistischen Lager war (von der Linken kommend).

Ich habe zahlreiche Bücher über den Traditionalismus, die Philosophie Martin Heideggers, die russisch-orthodoxe Theologie, russische Geschichte, Ethnosoziologie, die Soziologie der Imagination usw. veröffentlicht. Darüber hinaus habe ich die Geopolitik als wissenschaftliche Disziplin in den akademischen Kreisen Russlands begründet – sie wird nun an allen russischen Universitäten gelehrt. Ich bin der Kopf der Eurasischen Bewegung, welche das ideologische Zentrum darstellt und das Projekt der Eurasischen Union aus der Taufe gehoben hat, welches nun von Putin umgesetzt wird. Meine wissenschaftliche Laufbahn führte mich auf das Gebiet der Politikwissenschaft und der Soziologie, ich besitze in beiden Fächern den Doktortitel. Zur Zeit arbeite ich als Direktor des Instituts für die Soziologie der Internationalen Beziehungen an der Staatlichen Universität Moskau. Im Bereich der Internationalen Beziehungen habe ich die Theorie der multipolaren Welt erschaffen, die von Putin als Hauptbezugspunkt der russischen Außenpolitik akzeptiert wird und habe ein Handbuch der Internationalen Beziehungen verfasst, von welchem große Teile post-positivistischen Theorien gewidmet sind, die zuvor vom akademischen Milieu in Russland komplett ignoriert wurden.

IG: Mit dem Begriff „Vierte Politische Theorie“ gaben Sie 2009 erstmals jener noch zu schaffenden Weltanschauung einen Namen, welche die globale Hegemonie des Liberalismus in Frage stellen soll. Welche Rolle spielt die Nouvelle Droite in Europa und ihre Theoretiker wie Alain de Benoist bei der Formulierung dieser neuen politischen Theorie?

Das Konzept der Vierten Politischen Theorie (4PT) war eine Art Weiterentwicklung national-bolschewistischer und eurasischer Ideen. Es wurde aus einem Prozess der Reflexion über den gegenwärtigen Stand der Dinge im Feld der Ideologien geboren und ganz besonders von mir und meiner Analyse der französischen Neuen Rechten – genau genommen von Alain de Benoist – geprägt. Als die Vierte Politische Theorie zum ersten Mal in Moskau 2008 vorgestellt wurde, geschah dies in der Gegenwart von mir und dem Beisein von Alain de Benoist. Das Hauptmerkmal der 4PT ist die absolute Zurückweisung der Moderne in ihrer Gesamtheit. Aber in ideologischen Begriffen gesprochen handelt es sich bei der einzigen Version der Moderne, mit der wir uns beschäftigen, um den Liberalismus – links oder rechts. Daher können wir die Moderne sowohl mit dem Individualismus, dem Kapitalismus und der Politischen Korrektheit, als auch mit dem westlichen Universalismus und seiner Inkarnation in Form der amerikanischen geopolitischen Hegemonie gleichsetzen.

Im vergangenen Jahrhundert war dem nicht so. Wir hatten drei politische Theorien, welche behaupteten, modern zu sein, und sogar noch moderner als die anderen: Den Liberalismus (welcher schließlich obsiegt hat), den Kommunismus und den Faschismus (welche schließlich verloren haben). Nun ist offensichtlich geworden, dass die Moderne der LIBERALISMUS ist und nichts anderes. Wenn wir die Moderne annehmen, sind wir dazu verpflichtet, den Liberalismus und den Status quo zu akzeptieren. Wir könnten dann so wie einige Vertreter der Neuen Linken vom Postliberalismus träumen (Emmanuel Wallerstein), aber zuvor müsste der Liberalismus die ganze Welt gewinnen (die klassisch Annahme des Marxismus). Aber was passiert, wenn man die Moderne und den Liberalismus ablehnt? Was muss man tun? Welche ideologische Position muss man einnehmen? Die 4PT schlägt weder den Kommunismus (als geschlagene Version derselben Moderne), noch den Faschismus (dessen Anspruch, auch modern zu sein, von der Geschichte zurückgewiesen wurde) als Alternative vor.

Deswegen brauchen wir etwas Neues. Nicht eine aktualisierte Version der Zweiten Politischen Theorie (Kommunismus) oder der Dritten Politischen Theorie (Faschismus). Wir müssen uns etwas wirklich Neues einfallen lassen. Dieses „Neue“ könnte man in negative Termini fassen: Antiliberalismus (Antiindividualismus, eine Ablehnung des Westens, Anti-Menschenrechtspropaganda, Antiamerikanismus, Antiglobalismus, ein dem Freien Markt feindlicher Dogmatismus, Antiegalitarismus, Antisäkularismus, die Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Ehe und so weiter) aber zur selben Zeit weder marxistisch, atheistisch, fortschrittsgläubig, proletarisch von einer internationalismuskritischen Warte aus, noch einen europäischen Nationalismus als Teil der politischen Moderne basierend auf einem Konzept des Individuums oder einer künstlich rassistisch-kolonialistischen Attitüde in Bezug auf die anthropologische Diversität.

Es ist offensichtlich, was die 4PT ablehnt. Es ist aber nicht klar, was sie verteidigt und befürwortet. Die Grundidee ist, dass wir den Westen und die Moderne ablehnen und die Vielfalt der Kulturen und der Traditionen als auch der Identitäten als positiven Wert akzeptieren. Das ist der Grund, aus dem wir vorschlagen, das existenzielle Konzept des heideggerschen Daseins als Zentrum des politischen Denkens zu übernehmen. Das Dasein ist etwas Konkretes und zur selben Zeit ontologisch Primordiales – es ist tiefer als das Subjekt – das Individuum (im Liberalismus), die Klasse (im Marxismus), Staat oder Rasse (in den Ideologien des Dritten Weges). Folglich wird das Dasein zur Grundlage des Gedankengebäudes der 4PT. Ihr Rest ist ein offenes Projekt, eine Art Einladung dazu in neuen Kategorien jenseits der drei politischen Theorien zu denken, welche uns die westliche Moderne aufgezwungen hat. Die westliche Zivilisation hat ihre Endphase erreicht. Sie ist nun das genaue Gegenteil des anfänglich gräko-romanischen, klassischen Abendlandes. Der Westen ist nun zum Anti-Westen, das moderne Europa ist zum Anti-Europa geworden. Er ist an seinem Ende angelangt. Deswegen müssen wir einen Schritt nach vorne machen – in ein komplett neues Reich des Denkens, das zur selben Zeit die Wiederkehr zu unseren tiefsten, indoeuropäischen Wurzeln ist, in das Herz der heiligen Tradition, wo sich die Ewigkeit versteckt hält.

IG: Wie Sie auch in ihrem Buch schreiben, befindet sich der Liberalismus und damit sein Träger, der politische Westen, in einer tiefen Krise. Doch fehlt bis heute in der Bevölkerung Europas ein Bewusstsein für die existenzielle Dimension dieser Krise, die nicht nur eine Wirtschaftskrise, sondern vor allem eine Daseinskrise Europas ist, welche die Frage nach dem Sein oder Nicht-Sein Europas stellt. Welche Rolle können Ihrer Meinung nach aktivistisch orientierte Gruppen wie die Identitäre Bewegung, insbesondere durch Aktionen wie in Tours oder der Besetzung der Votivkirche in Wien, bei einer Bewussteinsbildung in Europa spielen? Und vor allem: Hat diese aktionistische Ausdrucksform der Metapolitik in Ihren Augen überhaupt Sinn?

Sie haben absolut recht, was die Tiefe der Krise angeht, und dass sie nicht technischer, sondern metaphysischer, existenzieller und spiritueller Natur ist. Dieses Europa ist nicht mehr europäisch. Weder in kultureller noch in ethnischer noch in stilistischer Hinsicht. Die europäische Identität ändert sich drastisch und verliert ihren Bezug zum echten Europa und seinem klassischen Erbe. Also kann man sagen, dass jene Leute, welche die europäische Identität verdammen und ihre Wiederkehr verhindern, gute Arbeit leisten. Aber ich glaube, dass das Problem nicht in der Konfrontation mit den Einwanderergruppen liegt, da diese auch Opfer desselben Feindes sind, der die europäische Identität ausgelöscht hat. Und das ist für mich das Falsche am identitären Kampf.

Der Hauptfeind Europas ist der Feind im Inneren. Es ist die Krankheit des europäischen Geistes, manifestiert in der Moderne. Die Moderne ist das Böse. Wir können das Problem mit der Einwanderung oder endgültigen Zerstörung der Familie nicht mit technischen Mitteln überwinden. Ja, wir müssen mobilisieren, aber es ist vergeblich, zu versuchen, die Situation in einem bestimmten Gebiet zu verbessern. Wir müssen das, was in jedem Sinne modern ist, endgültig zerstören – in der Art des Denkens, des Handelns, des Fühlens. Wir sind mit den letzten, wirklich schrecklichen Konsequenzen dieser Entwicklung konfrontiert – Europa ist tot, das ist bestimmt der Untergang des Abendlandes. Deswegen müssen wir zu den Wurzeln des Bösen vordringen. Dementsprechend sollten alle identitären Aktionen symbolisch sein. Damit bin ich einverstanden. Aber ich denke, dass die Strategie des französischen Soziologen Alain Soral korrekt ist: Er versucht, die Identitären zusammen mit den Einwanderern in ihrem Kampf gegen das System zu einen und sie sich nicht gegenseitig bekämpfen zu lassen. Er identifiziert den Feind sehr gut – das liberalkapitalistische, amerikanische finanziell-globalistische Empire. Er schlägt vor, das Empire zuerst zu verstehen und dann in seinem Herzen anzugreifen. Wir müssen dagegen protestieren, wir brauchen eine echte europäische Revolution gegen die moderne (postmoderne) Welt. Die liberalkapitalistische amerikanische Ordnung muss zerstört werden. Und alle, die gegen sie sind – gleich ihrer Hautfarbe, Religion oder Kultur – sollten unsere Verbündeten sein. Das liberale amerikanische Empire versucht uns zu trennen. Wir müssen uns vereinen und es im Herzen treffen. Um die Identität zu verteidigen, müssen wir das Prinzip verteidigen – sowohl unsere Identität als auch die Identität der anderen.

IG: Vor dem Erscheinen Ihres Buches auf Deutsch und ihrer Rede auf der Identitär Idé 2012 in Stockholm waren Sie im deutschsprachigen Raum in den Augen rechter Kreise Nationalbolschewist, eine Meinung, die man spätestens nach der Lektüre Ihres Buches „Die Vierte Politische Theorie“ revidieren muss. Aus dem Umkreis des postmodernen, linken akademischen Establishments im deutschsprachigen Raum wird Ihnen hingegen vorgeworfen, Sie seien ein Faschist (etwa von Seiten Andreas Umlands). Wie reagieren Sie auf diese Vorwürfe?

Andreas Umland ist ein amerikanischer PR-Agent, der nicht ernstzunehmen ist. Er wurde erst vor kurzem aus der Ukraine abgeschoben, weil er den Neonazi und offenen Judenhasser Tjahnybok (Vorsitzender der „Allukrainischen Vereinigung Swoboda“, Anmerkung AM) finanzierte. Dementsprechend steht die akademische Glaubwürdigkeit und ideologische Korrektheit so einer zur Gänze diskreditierten Person außer Frage. Wenn Sie den Nazismus dort anklagen, wo er nicht existiert, und ihn dort unterstützen, wo er wirklich präsent ist, sind Sie ein billiges, von der amerikanischen Propagandamaschinerie angeheuertes Schwein.

Solche Anschuldigungen sind lächerlich. Aber die Linke hat ein Anrecht darauf, im Bezug auf mich kritisch zu sein, da ich genauso wie sie strikt antikapitalistisch bin, aber weder egalitaristisch, universalistisch, fortschrittsgläubig, atheistisch und materialistisch. Wenn sie die Wahl trifft, im Bereich des gemeinsamen antikapitalistischen Kampfes (wie es manche Angehörige der Linken tun) mit uns zu kämpfen, steht ihnen die Tür offen. Wenn sie es aber vorziehen, das liberale „Teile und herrsche“-Spiel zu spielen, indem sie einen unverantwortlichen und phantastischen Antifaschismus propagieren, dann ist es ihr Recht, das zu tun. Ich werde meine Ansichten nicht ändern, um diese oder jene Gruppe zufriedenzustellen. Mit der extremen Rechten ist es dasselbe. Ich bin gegen die Nationalstaatsbürgerschaft als bourgeoise Schöpfung, gegen eine eurozentrische Sicht der Welt, gegen Rassismus, gegen die USA und ihre Hegemonie, gegen den Liberalismus, gegen den Kapitalismus als Form des Sozialen, welche mit dem tiefgehenden Wertsystem der Indoeuropäer inkompatibel ist.

Können wir das Nationalbolschewismus nennen? Vielleicht ist es mir egal. Aber ich fühle sowohl eine bestimmte Affinität zu rechten Leuten als auch zu bestimmten linken Menschen. Gerade deswegen bin ich mir sicher, dass sie in ihrem jetzigen Zustand – auseinanderdividiert und einander feindlich gegenübergestellt – bestimmt verlieren werden und ein weiteres Mal die Liberalen siegen werden. Die einzige Möglichkeit, diese Situation zu ändern, ist, die Streitigkeiten zwischen links und rechts hinter sich zu lassen. Einige europäische Identitäre – vor allem die Mitglieder des Verlagshauses Arktos – teilen diese Analyse. Also arbeiten wir zusammen, um die Wiederkehr des echten europäischen Geistes zu propagieren. Sie können eine solche Strategie beurteilen, wie Sie wollen. Wir können nur gewinnen, wenn wir die alten, künstlichen Barrieren durchbrechen. Das ist genau das, was ich versuche zu machen.

IG: Eines der Hauptthemen ihrer Bücher ist der Umbruch von einer unipolaren Weltordnung unter der Hegemonie der USA hin zu einer multipolaren Welt mit mehreren Machtzentren. Neben einem europäischen Machtblock, losgelöst vom Westen, sehen Sie unter anderem einen Eurasischen Machtblock unter der Führung Russlands als künftigen Garanten für eine multipolare Weltordnung. Sie selbst treten unter anderem mit der von Ihnen gegründeten Plattform „Eurazija“ in Russland für den Aufbau eines solchen Machtblockes ein – für 2015 ist die Gründung der Eurasischen Union geplant. Insbesondere im deutschsprachigen Raum jedoch versteht man nicht den ideologischen Hintergrund der Eurasischen Idee und betrachtet die Eurasische Union lediglich als Neuauflage der UdSSR. Bitte erläutern sie uns kurz die Idee hinter Eurasien und die Unterschiede zum „Eurosibirien“ Konzept von Guillaume Faye.

Das Konzept der Eurasischen Union wurde von unserer Bewegung vorgeschlagen und von Putin übernommen. Die Idee dahinter ist, dass die Multipolare Welt auf mehreren Großräumen aufbauen sollte, nicht auf kleinen Staaten oder Bündnissen, welche alleine zu schwach dazu wären, echte Souveränität zu garantieren. Die Eurasische Union ist einer dieser Großräume. Ein vereinigtes Europa (von der amerikanischen Dominanz befreit) wäre ein weiterer. China ist ein anderer, genauso wie Indien. Vielleicht ist der islamische Kulturkreis zu zersplittert und manipuliert (vor allem der radikal sunnitisch-wahabitische Teil), insbesondere durch den Einfluss Saudi-Arabiens und Amerikas um zu einem Großraum geeint zu werden. Lateinamerika kann und sollte einen Großraum erschaffen. In der Zukunft wird dies Afrika gelingen. Auch Japan sollte eine unabhängige Macht werden, befreit von der Nachkriegsbesatzung durch Amerika.

Daher brauchen wir Großräume als Pole einer echten Multipolarität. Die USA können in dieser Welt eine wichtige und vielleicht sogar positive Rolle spielen (als Gegengewicht), werden aber nur ein Großraum unter anderen sein. Die Sowjetunion war geopolitisch kein originäres Konstrukt der Bolschewisten. Sie war vielmehr eine Fortsetzung des Russischen Reiches. Die jetzige Eurasische Union ist auf einer ökonomischen und demokratischen Basis errichtet worden. Zuvor war derselbe Großraum durch den Kampf der Sowjetideologie errichtet worden. Früher war dies die Angelegenheit des orthodoxen, russischen Zarenreiches. Davor jene der Goldenen Horde. Also ist es zur selben Zeit etwas Altes und etwas Neues. Der Hauptunterschied zur Sowjetunion ist, dass sie nicht mehr sowjetisch ist. Die europäische Einheit kann man als Wiederkehr des karolingischen Reiches von Karl dem Großen darstellen und ist es auch – bis zu einem gewissen Punkt. Dasselbe gilt für die Eurasische Union. Das Eurosibirische Konzept von Faye betrachtet Sibirien, soweit ich weiß, als etwas geopolitisch und politisch Partikulares, aber in meinen Augen ist es Russland/Eurasien. Es besteht also nicht die Notwendigkeit, es auszuführen. Aber ich kenne die Ideen von Herrn Faye nicht gut, also kann ich sie nicht beurteilen.

IG: In ihrer Tätigkeit als Professor für Soziologie an der Universität Moskau haben Sie eine ganze Vorlesung über Ethnosoziologie auf Englisch im Internet gehalten. Planen Sie eine Ausweitung Ihres englischsprachigen Lehrangebotes?

Ja. Für 2014 ist eine Vorlesung auf Englisch über die Vierte Politische Theorie geplant. Jeder, der an diesem Thema interessiert ist, ist dazu eingeladen, sich diese Vorlesung anzuhören. Wie gewohnt ist sie gratis und frei zugänglich.

Vielen Dank für das Interview!

4pt multipolare welt

Über Alexander Markovics

Alexander Markovics
Geboren 1991, Studiert in Wien Geschichte, Politikwissenschaften die Autoren Alain de Benoist und Alexander Dugin. Obmann der IBÖ und Mitglied der IBÖ - Landesgruppe Wien.

Ein Kommentar

  1. Dugin ist ein wichtiger Vordenker der Eurasischen Idee, der die geistig-kulturellen Wurzeln dieses Kontinents einbezieht. Putin folgt auch dieser Vision. Deshalb wurde er auch zum Feind der Staatsterroristen US/Nato, die mit aller Gewalt den Schulterschluss Europas mit Russland verhindern wollen – leider bisher ziemlich erfolgreich. Aber der Wind dreht sich.
    Vielen Dank für diese Initiative!
    Mit vielen Grüßen vom Eulenspiegel
    http://eulenspiegel.blog.de/2015/07/14/kernschmelze-begonnen-ende-taeuschung-20660399/

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