Den ersten Teil dieses aus dem Englischen übersetzen Interviews von John Lambton findet ihr hier.
Im zweiten Teil sprachen wir über die Mentalität der Europäer, seine Gedanken über die gegenwärtige politische Führung in Frankreich und Europa, seinen Streit mit den französischen Gerichten über die Meinungsfreiheit, Michel Houellebecq und mehr. Die Realität ist eine rechtsextreme Täuschung.
Wie erklären Sie sich den Defaitismus der Europäer (die Behauptung nicht alle Muslime wären Terroristen usw.) in Hinsicht auf die jüngsten Anschläge? Wie kann es sein, dass Linke die Ansicht vertreten können, dass die traditionelle europäische Kultur dekonstruiert und verändert muss und gleichzeitig Religionen und Philosophien wie der Islam, welche das genaue Gegenteil dessen, an was Liberale glauben vertreten, als unantastbar gelten?
Europa ist an Selbsthass erkrankt. Ich denke, es hat bis heute nicht die Nazizeit überwunden. Ich nenne dieses Phänomen die „Zweite Karriere Adolf Hitlers“: Vielleicht etwas weniger kriminell als die erste, aber kaum weniger schädlich, um es historisch auszudrücken. Europa ist ein Patient, der beim Versuch den hitleristischen Krebs zu entfernen schon so oft und so schwer operiert wurde, dass bei den Eingriffen, mit der Absicht ihn möglichst gründlich zu entfernen, nicht nur der Krebs sondern auch der Großteil der lebenswichtigen Organe entfernt wurde. Der Patient hat keine Eingeweide mehr übrig, kein Herz, kein Hirn, keine Kraft, keine Beine, keinen Willen. Das schlimmste an diesem Vorgang ist, dass wir sehr gut widerstehen und siegen könnten. Aber wir wollen es nicht. Europa will es nicht. Die Europäer wollen nicht einmal wissen, was mit ihnen geschieht. Und jene die es tun werden bestraft oder verbannt, wie Vögel oder ein schlechtes Omen: es findet immer eine sofortige Hinrichtung der Überbringer schlechter Botschaften statt.
Michel Houellebecq hat in seinem Roman Submission ein brilliantes Porträt der letzten Phase des Großen Austauschs vorgelegt. Betrachten Sie das Szenario in seinem Buch als glaubwürdig? Welche Kritik üben Sie an seiner Vision?
Es ist extrem glaubwürdig. Das einzige, was ich daran zu kritisieren habe ist, dass es zu überzeugend ist. Ich will nicht überzeugt werden, ich würde viel lieber einen Bürgerkrieg erleben als eine Unterwerfung. Aber natürlich wäre dieser Krieg in keinster Weise „bürgerlich“. Vielmehr eine klassische antikoloniale Revolte, inspiriert vom Widerstand gegen den Nationalsozialismus und die Unabhängigkeitskriege.
2014 wurden Sie nach französischem Recht für die Äußerung einer politischen Meinung verurteilt. Andere Franzosen wie Dieudonné haben sich auch an diesen drakonischen Gesetzen gestoßen. Glauben Sie, dass je mehr der Große Austausch voranschreitet, auch die Zahl der verurteilungen nach diesen Gesetzen ansteigen wird, weil immer mehr Menschen aufbegehren und denken Sie, dass, wie Präsident John F. Kennedy einst sagte, jene „die eine friedliche Revolution unmöglich machen, eine gewalttätige Revolution für unausweichlich machen?“
Es ist nicht nur eine friedliche Revolution, die sie unausweichlich machen, sondern sie verunmöglichen die Realität an sich. Wie ich schon in der Vergangenheit tweetete: Die Realität ist eine rechtsextreme Täuschung. Ich habe diese verzerrte Realität fauxel genannt (dieser Begriff umfasst eine Scheinwelt ähnlich dem Neusprech aus Orwells 1984 – JL). In der fauxel sind alle Wörter Lügen. Zum Beispiel ist „un quartier populaire“ (Ein Arbeiterviertel/wortwörtlich Volksbezirk im Französischen) mittlerweile ein Bezirk, aus dem das Volk verschwunden ist, in dem unser eigenes Volk bereits ausgetauscht wurde. Letzte Woche erst stach mir eine wunderbare Schlagzeile ins Auge: „Beunruhigender Anstieg religiöser Gefühle in der Metro“. Diese Schlagzeile sollte einem verdeutlichen, dass mittlerweile fast die Hälfte des Pariser Ubahnpersonals aus Islamisten besteht. Wir wurden alle zu erstklassigen Hermeneutikern, Verschlüsselern und Entzifferern einer sehr seltsamen Sprache, in der jedes Wort etwas anderes ausdrückt, als es eigentlich bedeuten sollte. Wenn Sie zum Beispiel die Wort „un jeune“, ein Jugendlicher, lesen, möchte ihnen der Journalist nicht damit sagen, dass es um einen jungen Mann handelt, sondern dass es um einen nicht-europäischen, nicht sehr alten Mann geht. Es ist ermüdend alles die ganze Zeit über übersetzen zu müssen. Die gewalttätigste Revolution wäre ein Ausbruch der Wahrheit aus ihrem Gefängnis: Die Subversion des Scheins durch die Realität.
Im Laufe ihrer Karriere haben Sie bereits über viele verschiedene Themen geschrieben. Haben Sie die Absicht ihre politischen Werke ins Englische oder andere Sprachen zu übersetzen?
Nun, diese Absicht sollte nicht die meinige sein. Das hängt nicht von mir ab. Wenn jemand meine Bücher auf Englisch veröffentlichen will, dann soll er das bitte tun. Das einzige Buch, welches bisher ins Englische übersetzt wurde, ist Tricks, welches eine sehr offene Beschreibung von 45 (homo)sexuellen Begegungen darstellt, mit einem Vorwort von Roland Barthes. Ich befürchte, dass es etwas irreführend sein könnte….
Heute sind sie irgendwie in die französische Politik involviert. Unterstützen Sie die Ideen Marine Le Pens als das kleinste Übel oder als jemand der alles tut um den Großen Austausch in Frankreich entgegenzutreten?
Sie hat auf jeden Fall ganz sicher viele der notwendigen Mittel die es benötigt um den Großen Austausch entgegenzutreten: Soldaten, Aktivisten, Unterstützer, Wähler. Ich unterstütze nicht jeden von ihnen bedingungslos, aber niemand von uns kann es sich leisten sich nicht mit jeder Kraft zu verbünden, welche bis zu einem geiwssen Grad Entschlossenheit darin zeigt diese Invasion und Eroberung zu bekämpfen. Wie schon zuvor gesagt plädiere ich für die Einheit: Nicht nur in Frankreich, sondern auch in Europa. Und es wäre Wahnsinn eine Front der Patrioten anzustreben und gleichzeitig ihre stärksten Bestandteile zu ignorieren.
In Bezug auf die politische Landschaft in Europa, denken Sie, dass es eine Partei oder einen politischen Anführer außerhalb Frankreichs gibt, welcher Maßnahmen gegen den Großen Austausch unternimmt? Wenn nicht, welche Qualitäten benötigt ein Politiker ihrer Meinung nach, um der Öffentlichkeit die Augen in Hinblick auf diese Situation zu öffnen?
Es scheint so als wären die politischen Anführer, Parteien, Regierungen und das Volk in Osteuropa, etwa in Ungarn, der Tschechischen Republik, der Slowakei und Polen viel entschlossener für Europas Unabhängigkeit und Identität zu kämpfen als ihre Gegenstücke in Westeuropa: Es ist als ob die kommunistische Diktatur sie für 50 Jahre gegen die anti-rassistische Tyrannei geschützt hätte. Eine der letzten Demonstrationen, an denen ich teil genommen habe, war für Viktor Orbán gegenüber von der ungarischen Botschaft in Paris. Ein Führer des Widerstandes würde vielleicht von einer völlig unbekannten Seite kommen und kein Politiker von der Stange sein. Er oder sie würde ein starkes symbolisches, emblematisches Image brauchen. Das junge Fräulein Le Pen vielleicht, Marion Maréchal? Sie erinnert die Franzosen an Johanna von Orléans…