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Unsere Grenze

Unsere Grenze

Die Rolle der Grenzen ist gerade in der Geschichte Österreichs von zentraler, ja konstituierender Bedeutung: Denn während sich die Nachfolger Chlodwigs (466-511) um die Aufteilung des riesigen Frankenreiches stritten, dümpelte ein Grenzland im Osten recht unspektakulär vor sich hin: das heutige Österreich. Das bairische Ostland („marcha orientalis“) war als ‚Ostmark’ gegen die Awaren eingerichtet und grenzte die germanischen Gebiete, gemeinsam mit der Awarenmark, sicherheitspolitisch von denen der Slawen ab. Eine ähnliche Rolle im Herzogtum Bayern (Stammesherzogtum Bayern ab 551) spielte das Fürstentum Karantanien. Der fehlende Rest des heutigen Österreichs war durch slawische Vorstöße in die nördlichen Grenzen des Binnennoricums (auf keltischen Boden), etwa 50 Jahre nach dem Tod Chlodwigs, als slawisches Fürstentum entstanden. Bald wurde es von Bayern (unter Tassilo III.) ins Stammesherzogtum eingegliedert (ironischerweise da die slawischen Fürsten von ihren ethnischen Verwandten bedroht wurden) und bildete fortan die Grenze gegen Süden und Südosten. Im Südwesten hatte man die Alpen als natürliche Schutzgrenze, aber gegen Osten benötigte man Marken als Schutz gegen die immer wieder einfallenden slawischen Stämme. Ursprünglich besaß also das ‚Land im Osten’ keine Grenze; es war die Grenze.

 

Der Sturm der Magyaren

Um 900 destabilisierten Auseinandersetzungen innerhalb des Frankenreichs das Ostfränkische Reich – das Reitervolk der Ungarn ergriff die günstige Chance und fiel ins östliche Grenzland ein. Nach einer vernichtenden Niederlage für die Bayern in der Schlacht bei Preßburg (907) besetzten die Magyaren das Gebiet östlich der Enns. Erst als Herzog Heinrich I. von Bayern eine Offensive gegen die Ungarn (950) unternahm konnte das Gebiet wieder teilweise zurück gewonnen werden . Während der Besatzung durch die Ungarn veränderte sich in Sachen der Verwaltung überraschend wenig; man nimmt an, dass sogar die Grafschaft weiterhin bestand, was durch einen botenmäßigen Vasall erledigt wurde. Der vom Herzog eingesetzte Verwalter des Grenzlandes (ob vor oder erst nach 955 ist unklar) war ein gewisser Burkhard mit Sitz in Pöchlarn – niemand anderer als der Rüdiger des Nibelungenliedes. Nachdem König Otto I. die Ungarn bei der Schlacht auf dem Lechfeld (955) endgültig besiegte, könnte das Reitervolk vollständig in das heutige Ungarn vertrieben werden. Die bairischen Siedlungen zwischen Enns und Wienerwald wurden wieder in das Herzogtum eingegliedert, den Kirchen wurden ihre Besitzungen offiziell bestätigt und die Verwaltung wurde wieder eingesetzt.

 

Die ‚neue‘ Mark im Osten: Ostarrichi

Bislang war das bairische Ostland relativ vernachlässigt worden, aber nun erkannte man die wichtige Rolle der Grenzmark für die Sicherheitspolitik des Reiches. Erst mit der nun größeren Zuwendung zum östlichen Grenzland durch Besiedelung und Förderung der Kirchengemeinden, und die damit sinkende Außenbedrohung, konnte eine Beruhigung und Welle des Aufschwung innerhalb der Grenzen erfolgen, besonders in demographischer Hinsicht. Die karolingische Markenorganisation war zwar zusammengebrochen Otto I. errichtete umgehend eine neue Mark ein; diese Ostmark war kleiner als sein Vorgänger aber in sich geschlossener und nach Außen besser geschützt; das bezeugen viele Wehrbauten. Im Zuge der Besiedlung der zurückgewonnenen Gebiete schenkte Otto I. dem freisingischen Bischof Gottschalk einen Königshof mit etwa 100ha Land in Neuhofen an der Ybbs (996). Da scheinbar zu befürchten war, dass der Ort nicht jedem geläufig sei, wurde die Ortsangabe geographisch präzisiert: „gelegen in einer Gegend die im Volksmund Ostarichi genannt wird“. Das Dokument stellt die erste namentliche Erwähnung Österreichs dar. Damit war, wie es im Dokument heißt, die Mark und Grafschaft des Grafen Heinrich gemeint, dessen Zentrum der Bezirk Amstetten war. Mit der Einsetzung des Babenbergers Luitpold war das Land Österreich geboren. Im Grund entstand Österreich durch Zufall (oder Schicksal), schlicht weil man sich der Notwendigkeit von funktionierenden Grenzen bewusst wurde.

Wie wir sehen, ist die Geschichte Österreichs seit Anbeginn eine ‚Grenzgeschichte’. Erst durch die Sicherung der Ausgrenzen und der Möglichkeit einen eigenen Heerbann zu stellen konnte eine wirtschaftlicher und demographischer Aufschwung in der Bevölkerung stattfinden. Durch die ständige Bedrohung durch einfallende Stämme war das östliche Grenzgebiet bis zur offiziellen Wiedereinrichtung der Mark nur spärlich besiedelt. Nun konnten Bauern, relativ gefahrlos, sich in den Gebieten vermehrt ansiedeln und die Felder bestellen. Gerade in Zeiten größerer Wanderbewegungen (wie die ständigen Angriffe der Magyaren) wurden beschützte Grenzen zur Überlebensnotwendigkeit und Grundlage eines funktionierenden Landes.

 

Marcha orientalis(ch?)

Heute werden wir nicht mehr von Reitervölkern bedroht, doch Österreich ist durch nicht vorhandene Grenzen wiederum zum Einfallstor für Invasoren geworden. Wie vor über 1000 Jahren stellt Österreich ein ‚Zwischenlager’ für sie da, für den Weiterzug nach Deutschland. Das historische Herzogtum Kärnten – die ehemalige karantische Südmark -ist zum südlichen Einfallstor für Migranten geworden und das Bundesland Steiermark kann sich getrost vom ‚-mark’ in seinem Namen verabschieden. Eine weitere Ähnlichkeit der derzeitigen katastrophalen Situation mit den Verhältnissen im Mittelalter, besteht in dem Unwillen der Regierung die Grenzen tatsächlich zu schützen und der Handlungsunfähigkeit der örtlichen Politiker an den Außengrenzen. Und es scheint auch so, dass erst wieder der ‚große Nachbarstaat’ sich tatsächlich bedroht fühlen muss um wirkungsvoll zu handeln – das kleine Österreich dürfte sich dazu nicht verpflichtet fühlen. Die Regierenden scheinen sich auch nicht ihrer eigenen Bevölkerung verpflichtet zu fühlen, selbst dann nicht, wenn abertausende ungezählt und unkontrolliert über die Grenze ins Land strömen. Fassungslos müssen wir als Bürger zusehen, wie unsere Politiker ahnungslos den Flüchtlingen nachsehen. Nachsichtigkeit steht bei unserer Regierung in Anbetracht der Umstände auf der Tagesordnung; ‚halb so schlimm, die ziehen doch eh weiter’. Wird die Forderung nach sicheren Grenzen in der Bevölkerung laut und immer lauter wird beschwichtigend darauf hingewiesen, dass Zäune Menschen trennen würden und somit unmenschlich seien. Statt Grenzzäune hätten wir nun schließlich EU-Gesetze – zu blöd nur, dass diese nicht eingehalten und täglich gebrochen werden.

Nun redet die österreichische Innenministerin von notwendigen EU-Außengrenzen (man muss Nachsichtigkeit mit der eigenen nationalen Politik walten lassen); das interessante dabei ist, dass diese im Grunde (juristisch) ja vorhanden sein sollten. Das klingt zum Einen sehr engagiert und zum Anderen muss man selber keine Handlungen setzen, da eine Innenministerin nicht einmal annähernd dafür zuständig ist. Weshalb sie nicht die Empfehlung abgibt, dass Frontex seine Hausaufgaben erfüllen soll und die Sicherung unserer nationalen Grenzen (wozu Österreich EU-rechtlich berechtigt wäre) in Auftrag gibt, ist dabei schleierhaft.

 

Wir müssen selber zur Grenzmark werden

Wir sehen in der Geschichte, dass es immer wieder zu kleineren oder größeren Migrationsbewegungen kommt – wir lernen aber auch aus ihr, dass wenn diese Migrationsströme zu groß sind und die Grenzen nicht funktionieren, das entsprechende Land von der Landkarte radiert wird. Denn wenn ein Volk sich aufgibt, dann ist das nicht weiter tragisch; es stirbt nur ein weiteres schwaches Volk und wird von einem stärkeren ersetzt. Das ist kein Naturgesetz, aber geschichtliche Logik. Wir als Volk müssen also den unfähigen Politikern entgegenhalten, dass wir uns nicht auf Grund ihres Versagens aus der zukünftigen Kulturgeschichte Europas streichen lassen. Heute haben wir keinen Heinrich I. von Bayern und auch keinen König Otto I. der uns vor der Fremdinvasion schützen könnte; wir müssen selber zur Marcha Orientalis werden, zum Grenz-Land im Osten, so wie es schon Ungarn und Polen vormacht.

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Über Raul Jaubein

Raul Jaubein
Raul Jaubein studiert Literatur und komparatistische Philosophie in Wien und erforscht die Phänomene der Post-Post-Moderne. Raul ist Mitglied IB-Wien.

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