Unterhält man sich mit Leuten aus anderen Ländern über die slowenische Identität und Slowenien als solches, wird man gern mit der Vorstellung konfrontiert, dass unser Staat und unsere Kultur als südliches Mitteleuropa, westliches Osteuropa, nördlicher Balkan oder der östlichste Teil des italienischen Kulturraumes wahrgenommen wird. Etwas von dem mag schon zutreffen, dennoch muss zuallererst die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Bezeichnungen „Balkan“ und „Osteuropa“ in ihrer heutigen Bedeutung gestellt werden.
Das Problem der slowenischen Identität
Die Bezeichnung Sloweniens (und auch Kroatiens) als Teil des Balkans ist nämlich ausgesprochen problematisch, vor allem wenn man einige neuere wissenschaftliche Arbeiten über diese Problematik berücksichtigt. Etwa „Imagining the Balkans“ der bulgarischen Anthropologin Marija Todorova, die den Balkan als Erbe des Osmanischen Reiches umschreibt. So manche typische Eigenschaften der balkanischen Gesellschaft bildeten sich im Kontext des Osmanischen Reiches – allerdings nicht immer unter seinem direkten Einfluss. Das mangelnde Vertrauen in den Staat ist dafür ein Beispiel. So zählte der osmanische Staat zu einem Typ Staat, der in den okkupierten Ländern nur Steuern eintrieb, sich aber keinesfalls darum bemühte, ein Gefühl der Zugehörigkeit zu schaffen.
Ein zweiter bedeutender Teil der sogenannten „Balkan-Kultur“ ist die Kennzeichnung mit dem byzantinischen Einfluss und der Orthodoxie, das heißt, dass sowohl Slowenien, wie auch Kroatien und sogar die serbische Vojvodina im kulturellen (nicht geographischen) Sinn des Wortes dem Balkan nicht zugezählt werden können. Zwischen Slowenien und Kroatien besteht aber ein wesentlicher Unterschied. So standen Kroatien und die Vojvodina unter dem ungarischen Einfluss, Slowenien wurde jedoch den österreichischen Erblanden zugeordnet. Mehr noch, die zentralen slowenischen Länder trugen in der frühen Neuzeit die Bezeichnung „Inner-Österreich“ und waren Erbländer des Hauses Habsburg. Die slowenische Küste und Teile Nordwest-Sloweniens standen unter venezianischer Hoheit (bzw. im weiteren Sinn unter italienischem Einfluss). Der östliche Teil des Übermurgebietes gehörte zum ungarischen Königreich, jedoch ist dabei das Faktum zu berücksichtigen, dass in Zusammenhang mit der nationalen Erneuerung die Krain gemeinsam mit der Untersteiermark die Führungsrolle übernahm, so dass dieser Einfluss logischerweise überwog.
Dabei müssen bestimmte Tendenzen betont werden, die Teil der slowenischen nationalen Erneuerung waren und zu einem verfälschten Bild der slowenischen Geschichte und Kultur beitrugen. Schon am Anfang des sogenannten „Völkerfrühlings“ am Ende des 18. Jahrhunderts wurde im Buch „Versuch einer Geschichte von Krain und den übrigen Ländern der südlichen Slaven Österreichs“ eine starke Verbindung zwischen den Bewohnern der slowenischen Gebiete und den Südslaven im Allgemeinen hergestellt. Dafür wurden drei Gründe angeführt:
- Die Slowenen konnten sich im Kampf um die nationalen Rechte innerhalb der Habsburger Monarchie auf keine sogenannte historische Kontinuität berufen, wie dies bei den Tschechen, Polen und Kroaten der Fall war. Daher waren die “Volkserwecker” dazu gezwungen, ein umfassenderes Konzept des Slawentums zu erstellen, wobei dies in Anlehnung an die kroatische Staatlichkeit und die aufklärerischen Ideen des Naturechts geschah.
- Die Trennung von den anderen slawischen Völkern.
- Die mangelhafte Identifikation der höheren Schichten (v.a.des Adels) mit der slowenischen Identität und Nation sowie deren Verbundenheit mit der deutschen Sprache und der Landes- und Staatszugehörigkeit. Natürlich gab es Ausnahmen, wie etwa die slowenische Tendenz bei Mitgliedern der Geschlechter Barbo-Waxenstein, Zois, Auersperg und Apfaltern.
Letzteres hatte empfindliche Konsequenzen, hat doch die blinde Annahme dieser These vom fremden Adel eine Gleichsetzung des Klassen- und Nationalkampfes bedingt, was sich die Kommunisten und Apologeten des Jugoslawismus zunutze machten. Eine bedenkliche Tatsache ist, dass derartige Thesen großteils noch immer allgemein anerkannt sind, obwohl sie in letzter Zeit von der Mehrheit ernsthafter Historiker abgelehnt wurden.
Die historische Entwicklung
Den Anfang der Entwicklung einer slowenischen Identität können wir mit der Ansiedlung der Slawen auf dem heutigen slowenischen Gebiet im 6. Jahrhundert annehmen. Aus den beiden bedeutenden Fürstentümern Karantanien und Carniola entwickelten sich die späteren Herzogtümer Kärnten und Krain. Die damalige Bevölkerung hielt sich nicht für slowenisch, daher sollte die Bezeichnung Alpenslawen verwendet werden. Somit weichen wir dem Anachronismus aus, gleichzeitig betonen wir aber die Verwandschaft der Slawen in den heute slowenischen Gebieten.
Die beiden angeführten Fürstentümer sind in Folge verschiedener historischer Abläufe und Ereignisse im 8. Jahrhundert unter bairisch-fränkischen Einfluss gekommen, was auch zum Beginn der christlichen Missionierung geführt hat. Damit einher ging auch die Eingliederung in das fränkische, später ottonische Kaiserreich. Es ist aber dringend darauf hinzuweisen, dass es dabei nicht um eine Eroberung im klassischen Sinn des Wortes geht. So ist in Bayern noch im 9. Jahrhundert ein Slawe namens Baaza aus Karantanien als Eigentümer ansehnlicher Besitzungen anzutreffen. Besonders ist die Gründung des Klosters St. Georgen (am Längsee) in Kärnten im 11. Jahrundert zu erwähnen, wo Zeugen nach bairischem wie auch nach slawischem Recht angeführt werden.
Solcherart Vorkommnisse verweisen auf den Beginn der Entwicklung des Landesadels, der auch das Wesen der Landesinstitution war (O. Brunner – Land und Herrschaft). Durch das hohe und späte Mittelalter hindurch formierten sich die Länder, die aber nicht nur auf das ethnisch slowenische Gebiet begrenzt waren (eine Ausnahme war Krain, obwohl auch hier Minderheiten existierten, vor allem die deutsche). Dies waren Krain, Steiermark, Kärnten, Görz und ehemalige görzer Territorien, welche einverleibte Herrschaften Krains waren (Grafschaft in der Mark und Metlika sowie die Grafschaft Pazin [heute Kroatien]), Teile des slowenischen Gebietes blieben aber außerhalb des habsburgischen Reiches. Das slowenische Gebiet wurde dann in der frühen Neuzeit von großer Bedeutung für das Kaiserreich (und den breiten deutschen sowie mitteleuropäischen Raum), als nämlich die Türken einfielen und Krain gemeinsam mit Teilen Kroatiens ein Abschnitt des Verteidigungsgürtels, der sogenannten „Militärgrenze“, des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wurde.
Damals war auch die Zeit der Verbindung „slowenischer“ Länder innerhalb der Verwaltungseinheit von Innerösterreich und der Anfang der Schriftsprache. Dieser war eng verbunden mit der protestantischen Reformation und Primož Trubar, später Jurij Dalmatin. Letzterer sorgte auch für die Übersetzung der Bibel in die slowenische Sprache. Diese Bibelübersetzung war eine der ersten in Europa. Ein großes Verdienst gebührt auch Toma Hren, dem gegenreformatorischen Bischof, der die slowenische Übersetzung der Bibel verwahrte. Lediglich das Vorwort wurde entfernt. Die frühe Neuzeit führte gleichzeitig zu den oben angeführten problematischen Sichtweisen auf das slowenische Volk, mit dem Höhepunkt im 19. Jahrhundert und später mit der Revolution von 1918.
Die Identitäre Generation und unsere Rolle bei der Korrektur der Geschichtserinnerung
Wie bisher kurz aufgezeigt, ist es unsere Absicht und unser Ziel, ihnen erneut das Bewusstsein der tradierten Identitäten näherzubringen. Wir sind uns aber auch der Fehler der Vergangenheit bewusst, als unkritisch Geschichtsmythen aufgegriffen wurden, die von jedem solide Gebildeten innerhalb von fünf Minuten widerlegt werden konnten. Wir verstehen das Slowenentum und das slowenische Volk als Nachfolger der Alpenslawen, die aber auch von anderen bedeutenden Faktoren, wie zum Beispiel den Deutschen beeinflusst wurden. In diesem Sinne unterstützen wir auch die Erneuerung der lokalen Identitäten, welche als kleinere Gemeinschaften außerordentlich wichtig sind, da jeder Mensch zuerst Teil seiner Familie und seiner lokalen Gemeinschaft ist. Eine besondere Bedeutung geben wir auch den tradierten Ländern wie Krain, Görz und der Steiermark, die bisher aus nationaler Sicht als Überbleibsel des Feudalismus gedeutet wurden, obwohl sie für die Bevölkerung der vergangenen Jahrhunderte maßgeblich waren.
Obwohl wir romantische Sichtweisen als historisch verfehlt klar ablehnen, bedeutet das nicht, dass wir radikalen Ideen verfallen, nämlich jenen der „imagined community“, d.h. der künstlichen bzw. „eingebildeten“ Gemeinschaft wie sie von der marxistischen Geschichtsschreibung (E. Hobsbawm, E. Gellner, B. Anderson) propagiert wurde.Vielmehr entspricht unserem Weltbild die wissenschaftlich anerkannte These von Antony D. Smith, vom Volk als modernem Gebilde, fußend auf älteren ethnischen Grundlagen. In diesem Sinne vertreten wir die These, dass wir Slowenen noch immer mit den Alpenslawen aus Karantanien und Carniola verwandt sind, jedoch mit einem wesentlichen inhaltlichen Unterschied.
Unser Ziel ist es, den Slowenen ein breiteres Bewusstsein von Identität und Gemeinschaft zu vermitteln – sowohl lokal als auch europäisch zu denken. Marxistische und romantische Vorstellungen über unser Volk lehnen wir ab. Die Annahme dieser pluralen Identität des Einzelnen bedeutet eine stärkere und sachlichere Verbundenheit mit der eigenen Herkunft und Tradition und verhindert somit chauvinistische Tendenzen. In Hinblick auf den Umstand, dass wir in Österreich sprechen, soll daran erinnert werden, dass gerade die Landesidentität ein gemeinsames Leben von uns Slowenen und euch Österreichern ermöglicht hat, ohne dass wir zu einem gemeinsamen Leben gemäß dem amerikanischen Modell des „melting pot“ gezwungen gewesen wären. Das gegenwärtige Europa wird sich vielmehr an den ethnopluralistischen Modellen der Vergangenheit orientieren müssen, um in den kommenden chaotischen Zeiten bestehen zu können.